In Konflikte geraten unsere Hunde ständig. Egal, ob mit uns oder mit Artgenossen, kleinere Konflikte gibt es täglich.

Konflikte entstehen immer dann, wenn Bedürfnisse unterschiedlicher Persönlichkeiten (egal ob Mensch oder Hund) gegensätzlich sind. Nicht selten passiert es auch, wenn der Hund selbst unterschiedliche Bedürfnisse gleichzeitig hat. Je mehr Persönlichkeiten beteiligt sind, je unterschiedlicher die Bedürfnisse und je weniger Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, desto verzwickter wird die Situation.

Manchmal sind sie eher klein, wie z.B. „es ist nicht genügend Platz da um an dem gruseligen Ding vorbeizugehen, aber mein Mensch hat mich gerufen“. In anderen Situationen gilt es, Lösungen für größere Herausforderungen zu finden, z.B. wenn du mit deinem angeleinten Hund eng an einem anderen vorbeigehst, der deinen Hund fixiert. Und manchmal bringen wir unsere Hunde ganz unbewusst in Konflikte mit uns. Beispielweise dann, wenn der ängstliche Tierschutzhund, der Futter als sehr begrenzte Ressource abgespeichert hat, mit Leckerlis direkt auf zu Angstobjekt hin gelockt wird.

Im Grunde haben unsere Hunde 4 Strategien, mit denen sie solche Konfliktsituationen lösen können. In unserer menschlichen Wahrnehmung sind die Strategien sehr unterschiedlich gesellschaftlich akzeptiert. Manche finden wir sogar süß, andere sind „nervig“ und wieder andere sind absolut ungern gesehen. Diese Strategien kannst du auch bei Menschen beobachten, die sich in ähnlichen Situationen befinden.

Was hilft mir das Wissen um diese Konfliktlösungsstrategien?

Wenn du erkennst, wann dein Hund eine Konfliktlösungsstrategie anwendet machst du euch das Leben sehr viel leichter. Du erkennst du frühzeitig, welche Momente es sind, die deinem Hund Schwierigkeiten bereiten. Damit kannst du sofort überlegen wie du ihn dabei unterstützen kannst, statt ihm immer wieder der Situation auszusetzen und abzuwarten. Denn wenn eine Strategie für den Hund das Problem nicht löst – bzw. wir ihn wiederholt immer wieder demselben Konflikt aussetzen – dann wird er zur nächsten Strategie übergehen. Üblicherweise entwickeln sich die Strategien dann von denen, die wir Menschen meistens noch voll niedlich finden und den Hund belächeln, zu denen, die uns unbequem sind, bis zu denen die uns richtige Probleme bereiten.

Aber jetzt lass uns loslegen. Ich erkläre dir jetzt welche grundsätzlichen 4 Konfliktstrategien dein Hund anwenden kann und wie du sie erkennst.

4 Strategien, um Konflikten zu begegnen, die jeder Hund kennt

Die vier Konfliktlösungsstrategien werden im Fachjargon auch als die „4 F’s“ bezeichnet, denn in der englischen Bezeichnung fängt jede der Strategien mit einem „F“ an:

  • Freeze (Einfrieren)
  • Flirt (Spielaufforderung)
    • +Fiddle (Übersprungshandlung)
  • Flight (Flucht)
  • Fight (Drohen/Kampf)

Was die vier genau bedeuten, dazu komme ich gleich noch.

Hier zunächst noch ein paar grundlegende Dinge:

Welche Strategie dein Hund anwendet, hängt von der Situation, seinem Gegenüber, seinen Erfahrungen, seiner Persönlichkeit und von dir sowie eurem Verhältnis zueinander ab.
Je nachdem, wie bedroht sich dein Hund fühlt und welche der vier Möglichkeiten noch für ihn offen und hilfreich erscheinen, so wird er sich entscheiden. Außerdem ist nicht gesagt, dass die Entscheidung für eine Strategie unumstößlich ist. Hunde reagieren sehr fein auf ihr Gegenüber und so kann es sein, dass du innerhalb eines Konfliktes alle vier Strategien beobachten kannst.

Sehen wir uns mal an, was genau hinter den vier Möglichkeiten steckt.

Freeze/ Fiddle – „Ich tue einfach nichts“ „Ich bin unsicher und tue daher etwas ganz anderes“

Die Übersprungshandlungen sind das, was von uns Menschen am seltensten als solche erkannt wird, denn es ist kein besonders offensichtliches Verhalten. Nachdem ich dir erklärt habe, was damit gemeint ist, fallen dir ganz sicher auch Situationen ein, in denen dein Hund mit einer Übersprungshandlung reagiert hat.

Oft siehst du dabei auch, dass der Hund komplett zu Erstarren scheint. Beobachten kannst du das besonders dann, wenn zwei Hunde aufeinandertreffen und der eine sehr bedrohlich wirkt. Meist dauert dieser Zustand nicht lange und geht dann in eine andere Haltung über. Manchmal bleibt der Hund auch solange stehen, bis die Situation vorbei ist.

Häufig beobachte ich solche Handlungen zu Beginn des Trainings mit neuen Kunden.
Die Menschen schildern mir ihr Problem, z.B.: Der Hund kommt nicht, wenn ich ihn rufe. Ich lasse mir einmal zeigen, wie das abläuft und bitte den Menschen, seinen Hund zu sich zu rufen. Der Mensch ruft im strengen Ton und hat eine sehr angespannte Körperhaltung. Der Hund guckt seinen Menschen an und nähert sich langsam im Bogen an. „Komm her, hab ich gesagt!“ sagt der Mensch und schwupp bleibt der Hund wie angewurzelt stehen oder setzt sich auf den Boden und kratzt sich wie verrückt am Bauch. „Siehst du, so ist das immer. Er hat einfach keine Lust herzukommen.“ , sagt der Mensch.

Was passiert da wirklich?

Durch die Körpersprache und die ganze angespannte Energie, mit der der Mensch seinen Hund ruft, signalisiert er seinem Hund nonverbal „bleib bloß weg, in meiner Nähe wird es ungemütlich“, die Sprache vermittelt jedoch das „komm zu mir“. Der Hund befindet sich in einem Konflikt. Er weiß, dass er gerufen wurde und zu seinem Menschen gehen soll. Aus Hundesicht wäre es jedoch absolut unhöflich und fatal einem anderen Hund, der offensichtlich auch noch mies drauf ist, frontal entgegen zu laufen. Also läuft der Hund in langsamen Tempo, um den Menschen nicht zu verärgern, einen Bogen. Aus Hundesicht für so eine Situation absolut sinnvoll um den Konflikt zu vermeiden. Daraufhin bekommt er noch mehr nonverbales „Bleib weg!“ und ein drohendes „Komm her, hab ich gesagt“ als Stimmsignal. Der Konflikt in dem sich der Hund nun befindet, ist für ihn so nicht mehr zu lösen. Er weiß nicht, was er tun soll und tut daher etwas das scheinbar gar nichts mit der Situation zu tun hat.

Solche Übersprungshandlungen gibt es viele und oftmals können diese auch gleichzeitig als Beschwichtigungssignal gesehen werden (dazu in einem späteren Artikel mehr). Übersprungshandlung kann zum Beispiel sein: sich kratzen, die eigene Rute jagen, sich im Kreis drehen, niesen, sich schütteln, buddeln und viele, verschiedene mehr. Meiner Erfahrung nach haben Hunde auch hier ihre Präferenzen. Der eine kratzt sich, wenn er nicht mehr weiter weiß und der nächste dreht sich im Kreis. Natürlich ist nicht jedes Mal, wenn dein Hund sich kratzt eine Übersprungshandlung damit angezeigt. Ist dein Hund aber gerade in Konflikten involviert, dann könnte das eine seiner Strategien sein, um eine Lösung zu finden.

Flirt – die weiße Fahne und ein Blumenstrauß zur Versöhnung

In diese Kategorie der hündischen Konfliktlösung gehört alles, was ich mit „freundliche Annäherung“ beschreiben möchte. Von der Spielaufforderung bis hin zu unterwürfiger Annäherung ist hier alles drin, was der Hund tut, um im Konflikt die freundliche Lösung zu schaffen.

Die Spielaufforderung beobachten wir Menschen häufig, wenn fremde Hunde aufeinander treffen. Und viele freuen sich dann, wie schön die Hunde miteinander spielen. Oftmals ist es jedoch nur ein Scheinspiel, um eine vorangegangene Anspannung friedlich zu lösen ohne Aggressivität zu provozieren. Derjenige, der das vermeintliche Spiel angefangen hat, bleibt dann meist in der Rolle des Hasen und läuft im Rennspiel vorne. Für beide (oder mehr) beteiligten Hunde bedeutet diese Situation keineswegs eine riesen Gaudi und mordsmäßig Spaß am Rennen, sondern eher Stress. Jedoch ist das für die Hunde immer noch die bevorzugte Lösung, denn so ist eine friedliche Lösung des Konflikts möglich.

Als Mensch sollte ich hier einen genauen Blick darauf haben, wie es meinem Hund gerade geht. Ist kein Ende in Sicht und das „Spiel“ geht immer weiter, dann beende ich das und hole meinen Hund heraus. Im Optimalfall löse ich mit meinem Hund gemeinsam Konflikte sowieso schon bevor er in Bedrängnis kommt, es selbst zu tun. Wenn es dann doch mal so passiert, bin ich dennoch wachsam dabei, um bei Bedarf einzugreifen. Denn wie ich anfangs bereits erwähnt habe, können die vier Möglichkeiten fließend ineinander übergehen. Insbesondere im wilden Spiel ist die Gefahr groß, dass die Spannung dennoch bestehen bleibt und in aggressives Verhalten überkippt.

Flucht – wenn friedliche Lösungen nicht absehbar sind

Eine der offensichtlicheren Optionen zur Konfliktlösung ist die Flucht. Ist nicht absehbar, dass die Situation friedlich gelöst werden kann, dann ist die sicherste Möglichkeit, ihr aus dem Weg zu gehen.

Flucht bedeutet hier nicht immer im vollen Tempo zu verschwinden, sonder schlichtweg einen Weg zu finden, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Auch wenn ein unsicherer Hund zu Hause unter dem Sofa verschwindet, sobald der Staubsauger in Sicht kommt, gehört das zum Fluchtverhalten. Die Konfrontation soll um jeden Preis vermieden werden.

Fluchtverhalten ist insbesondere bei Hunden aus dem Ausland immer wieder verstärkt zu beobachten. Wenn ein Hund mit 4 Jahren von seinem ruhigen Leben ohne Menschen plötzlich in eine deutsche Stadt ziehen soll, gerät er ständig in Konflikte mit seiner Umwelt. Meistens versuchen die Hunde dann dem Problem aus dem Weg zu gehen.

Ist es nicht möglich, der Bedrohung aus dem Weg zu gehen, bleibt aus Sicht der Hunde nur noch eine Option übrig:

Fight – denn Angriff ist die beste Verteidigung

Fühlt sich ein Hund so bedroht, dass er sich verteidigen muss und keine der vorangegangen Optionen möglich ist oder keine eine Wirkung gezeigt hat, so bleibt nur noch der Angriff. Das bedeutet nicht, dass der Hund sich dann sofort mit gefletschten Zähnen auf seinen Gegenüber stürzt. Die Leiter der Aggression geht auch hier Stufe für Stufe nach oben. Zunächst wird gedroht und erst wenn das ohne Wirkung bleibt, werden Angriffsmuster (gehemmt und ungehemmt) gezeigt.

Aus einem natürlichen Selbstschutzinteresse heraus vermeiden unsere Hunde von sich aus, wann auch immer es geht, die direkte Konfrontation über aggressive Verhaltensweisen. Denn selbst im gehemmten Kampf mit dem Gegenüber können kleine Verletzungen entstehen, die möglicherweise früher ohne medizinische Versorgung zum Tod geführt hätten.

Wenn ein Hund also aggressiv reagiert, dann sieht er für sich keine andere Chance mehr, als sich in der Form zu verteidigen. Das passiert nur, wenn er die anderen Optionen nicht mehr hat. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Leinenaggression. An der Leine ist der Hund in seiner Bewegung deutlich eingeschränkt. Er kann nicht so frei kommunizieren, wie er das ohne Leine tun würde. Flucht ist schonmal ausgeschlossen. Eine Spielaufforderung an der Leine ist auch nicht unbedingt spannungslösend. Und die Übersprungshandlungen übersehen wir Menschen so leicht und vermitteln unserem Hund damit unbeabsichtigt, dass das auch keine Option ist. Wenn sich ein Hund also an der Leine bedroht fühlt, hat er aus seiner Sicht dann nur noch die Option, nach vorne zu gehen, um sich zu schützen.