Spaziergänge ruhiger gestalten – wie du ohne aktives Training Spaziergänge für deinen Hund entspannter machst

Wenn Hunde draußen aufgeregt sind, dann hat das oft damit zu tun, dass ihr zu viele neue Reize zu schnell auf sie einwirken und das Gehirn keine Zeit hat, diese zu verarbeiten.

Dadurch reagiert der Organismus mit Hektik und der Hund reagiert möglicherweise übertrieben auf Stressreize, die normalerweise für ihn gut händelbar wären. In diesem Zustand ist es für den Hund nahezu unmöglich langsam zu laufen, sich gut zu konzentrieren, oder gar genug Impulskontrolle aufzubringen, um z.B. in Hundebegegnungen ruhig zu bleiben.

Die Krux dabei ist: In diesem Zustand nützt aktives Training gar nichts. Im Gegenteil – wenn der Hund sowieso schon zu überreizt ist – bringt ein aktives Trainingsprogramm nur noch mehr Reize hinzu, die der Hund nicht verarbeiten kann.

Mehr dazu, erfährst du in diesem Blogartikel: Impulskontrolle und Stressmanagement als Grundvoraussetzung für entspannte Spaziergänge

Um in einen Zustand zu kommen, der aktives Training an Problemsituationen oder auch explizites Entspannungs-/ Ruhetraining erlaubt, müssen wir zuerst den Spaziergang an sich so gestalten, dass er für den Hund leichter wird.

Leichter bedeutet in diesem Fall: Weniger Reize bei bestenfalls gleichzeitig mehr Zeit zur Verarbeitung. Das schafft Raum im bildlichen Stressfass und damit zu mehr Entspannung und Ruhe auf dem Spaziergang.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten das umzusetzen. Wir beginnen heute mit einer Variante und ich füge die weiteren Möglichkeiten immer wieder hier hinzu.

Kluge Streckenauswahl für weniger Reize für deinen Hund

Mit der Gestaltung der Strecke auf dem Spaziergang kannst du die Anzahl der Reize, sehr leicht beeinflussen. Es gibt unzählige Varianten, die dir das möglich machen. Ein paar davon beschreibe ich hier gleich exemplarisch. Du kannst auf euren nächsten Spaziergängen einfach ausprobieren und beobachten, was für deinen Hund passt und was sich damit für euch verändert.

Wir gehen immer von einem Spaziergang mit gleicher Dauer und gleichem Lauftempo aus. Und verändern nur, wie eure Strecke aussieht.

1) Rundweg: Von Anfang bis Ende – jeder Meter hält neue Reize bereit

Die größte Anzahl an Reizen sammelt dein Hund, wenn ihr einen Rundweg lauft. Ist eure Strecke so angelegt, hat dein Hund auf jedem Meter des Spaziergangs neue Reize, die er verarbeiten muss. Das ist die für den Hund anstrengendste und stress-reichste Version, in puncto Streckenauswahl.
Diese Version nehmen wir als Vergleichsstrecke für alle weiteren Versionen.

2) Einmal hin und auf demselben Weg zurück.

Du gehst die Hälfte eures Spaziergangs in eine Richtung und auf demselben Weg wieder zurück. Hierbei reduzierst du die Anzahl der Reize drastisch. Wenn keine neuen Spaziergänger, Hunde und co. dazu kommen, dann muss dein Hund nur die Hälfte der Reize verarbeiten, die er auf einem Rundweg hätte. Auf dem Hinweg ist natürlich alles weiterhin neu, auf dem Rückweg hingegen hat er die Gerüche, bildlichen Eindrücke und Geräusche alle schon einmal wahrgenommen. Das verschafft ihm deutlich mehr Zeit alles zu verarbeiten.

Wenn du das ausprobierst, könntest du feststellen, dass dein Hund auf dem Rückweg langsamer und entspannter wird.

3) Zweimal hin und zweimal zurück – auf demselben weg

Du kannst es dir schon denken – hierbei machen wir Variante zwei, aber halbieren die Strecke erneut und ihr geht die ganze Strecke einfach zweimal. Dein Hund hat nun, im Vergleich zum Rundweg nur ein Viertel der Reize zu verarbeiten und damit 4x so viel Zeit, sie mit jedem einzelnen zu beschäftigen. Mit jeder Wiederholung bereits bekannter Wegabschnitte, wird dein Hund bestenfalls gelassener werden.

4) 3 Schritte vor und 2 zurück

Diese Variante eignet sich besonders gut, wenn dein Hund bei neuen Reizen (also dem ersten Mal in Kontakt mit diesem Wegstück – innerhalb dieses einen Spaziergangs) sehr aufdreht und die Anspannung auf dem Hinweg bei den vorhergehenden Varianten sich immer weiter gesteigert hat. Und es eignet sich auch, wenn man nicht wieder am selben Punkt ankommen möchte, sondern ein anderes Ziel auf dem Spaziergang hat.

Wie die Überschrift schon sagt: Hierbei gehst du ein Stück des Weges los und dann einen Teil wieder zurück. Um es zu verdeutlichen, nehmen wir hierfür 100 Meter an. Du probierst aus, welche Wegabschnitte für dich und deinen Hund sinnvoll und hilfreich sind. Das kann wesentlich länger (500m, 1km) und wesentlich kürzer (20m, 30m) sein.

Du gehst also 100 Meter voran, dann 50 Meter wieder zurück, erneut 100 Meter voran, 50 Meter zurück. So hat dein Hund zwischendurch immer wieder Zeit und neue Wegabschnitte voller neuer Reize, wechseln sich mit Abschnitten ab, die er bereits aufgenommen hat.

5) Kreuzungen im „Sternlauf“

In Ermangelung eines anderen Wortes, nennen wir die Fünfte und letzte Variante (in diesem Blogartikel) „Sternlauf“. Die eignet sich besonders gut an Wegkreuzungen Oder auch für Wiesen und Waldstücke wo die Wege dichter miteinander verzweigt sind. Angenommen du stehst an einer Kreuzung und hast vier verschiedene Wege zur Auswahl. Ihr geht auf einem ersten Weg los und dreht nach 5 Minuten wieder um. Nimmst einen nächsten Weg und läufst ebenfalls 5min in diesem Weg rein und drehst wieder um. Zurück an der Kreuzung wiederholst du das mit dem dritten Weg. Anschließend mit dem Vierten. Insgesamt hat dieser Spaziergang 40 Minuten gedauert und dein Hund hatte immer wieder abwechselnd bekannte und neue Streckenabschnitte.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Eine nächste Möglichkeit, mit der du deinem Hund mehr Zeit für die Verarbeitung der Reize auf dem Spaziergang verschaffen kannst, ist so simpel, dass sie uns oft gar nicht einfällt. Wenn ihr langsamer lauft, macht ihr weniger Strecke in derselben Zeit und dein Hund kann hat mehr Raum, um alles um ihn herum aufzunehmen.

Wir sind es so sehr gewohnt schnell zu laufen, dass wir Menschen schon gar nicht mehr wissen, dass wir auch einfach schlendern können. Statt Spazieren-Rennen, einfach mal spazieren schlendern. Sich selbst Zeit nehmen die Umgebung wirklich wahrzunehmen. Eine Blume genauer anzuschauen, die Wolken beim Vorbeiziehen beobachten. Stehenbleiben und dem Vogelkonzert lauschen. Kurz: Statt Geschwindigkeit und „Auspowern“, steht Achtsamkeit und Entschleunigung auf dem Programm.

Dem Trödeln habe ich vor einiger Zeit schon einmal einen eigenen Blogartikel gewidmet, den du hier findest. Vielleicht möchtest du darin schmökern und die kurze Anleitung, die du hier bekommst, noch etwas vertiefen.

Wie starte ich mit dem Trödeln?

Da für viele Hunde bewusstes Langsam gehen anfangs unglaublich schwer ist (uns Menschen geht es oft ähnlich), möchte ich hier noch ein paar Start-Tipps geben:

Kombiniere das Trödeln gern mit der Gestaltung der Strecke und starte auf Streckenabschnitten langsamer zu laufen, auf denen dein Hund schon für seine Verhältnisse entspannter ist. Such also eine Umgebung aus, die für ihn etwas weniger aufregend ist und starte auf dem Rückweg mit dem Trödeln.

Teste aus, ob dein Hund sich leichter auf das langsame gehen einlassen kann, wenn ihr graduell langsamer werdet, oder ob es ihm leichter fällt, wenn ihr ab einem bestimmten Wegpunkt einen klaren Punkt setzt und neu und langsam weitergeht. Teste verschiedenen Leinenlängen aus. Dein Hund soll dabei keine Aufgabe ausführen (z.B. „Fuß laufen“), er soll Zeit haben sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Dennoch kann es sein, dass es manchen Hunden hilft, am Anfang diese klare Aufgabe zu haben, um sich in die neue Art des Spaziergangs einzufinden. Sei mutig und teste, was ihr braucht um ruhiger zu werden.

Draußen Abhängen – Ruheinseln zum Durchatmen

Wenn wir die ersten beiden Möglichkeiten auf die Spitze treiben und kombinieren – also seeehr langsam werden und die Strecke mit neuen Reizen sehr stark reduzieren – dann landen wir an einem Fleck und verbringen dort unsere Zeit.

Hier geht es jetzt also darum, draußen abhängen zu lernen.
Irgendwo hinsetzen und dort einfach nur sein.

Wie du anfängst Pausen in euren Spaziergang zu integrieren

Für die allermeisten Hunde ist das – wenn sie bisher Spaziergänge nur mit (hoher) Aktivität in Verbindung bringen – ausgesprochen schwer. Deswegen kommt diese Option in diesem Blogartikel auch erst an dritter Stelle. 

Nehmen wir an dein Hund hat sich an langsamer laufen und öfter an denselben Weg gehen gewöhnt. Er kann die Umgebung offener Wahrnehmen, ist besser mit sich in Kontakt und kann schon etwas besser durchatmen kann.

Dann ist der Übergang hier und da mal eine kurze Pause einzulegen fließend. Eine besondere Stelle, an der es gerade so schön ruhig ist – super, bleibt doch da stehen. Atme ein paar Mal richtig tief durch, schließe die Augen, oder schau dir eine Blume genau an. Das Wetter lädt dazu ein, dich hinzusetzen, der Ausblick ist schön – warum nicht einfach mal da bleiben?

Halte die Pause für den Anfang recht kurz und schlendere dann wieder weiter. Irgendwann dehnt sich die Zeit aus.

Den Hund in der Ruhe unterstützen

Ist dir aufgefallen, dass ich noch gar nicht davon geschrieben habe, was dein Hund dabei tun soll? Das liegt daran, dass das für den Anfang nicht relevant ist. Lass ihn einfach den langsamen Spaziergang körperlich noch langsamer erleben. Er muss nicht neben dir stehen, oder sich gar hinsetzen/legen. Er darf einfach weiter um dich herum Schnüffeln, Gras knabbern oder einen Tannenzapfen interessant finden. Manche Hunde nehmen Unterstützung beim runterkommen an. Eine solche Unterstützung kann Körperkontakt sein, die Nase einsetzen dürfen und körperlich ruhige Beschäftigungen, auf etwas Kauen, Massagen, ein konditioniertes Entspannungssignal, und viel mehr. Andere Hunde lernen das Verweilen am besten, wenn sie sich den Weg in die Entspannung allein suchen und der Mensch mit seiner Präsenz und Ruhe „nur“ den Raum dafür hält.

Feste Orte auf euren üblichen Spaziergängen

Wenn ihr feste Lieblingsrouten auf euren Spaziergängen habt, dann lohnt es sich, dort bestimmte Orte zur Ruheinsel zu machen. Eine Bank, eine Waldlichtung, die kleine Wiese hinter dem Haus, die etwas abseits liegt. Auch dann, wenn kein explizit ruhiger und schöner Ort da ist, dann ist es eben der Briefkasten, der Baum oder die Laterne, an der ihr regelmäßig anhaltet und durchschnauft.

Wenn du auf euren Runden, immer wenn es sich anbietet, an diesem Ort Pause machst, dann kann dieser euch als kleine Ruhetankstelle dienen. Bis dorthin aufgenommene Reize können verarbeitet werden, der Körper kommt etwas zur Ruhe, es kommen weniger neuer Reize dazu.

Habt ihr beide kurz durchgeatmet oder gar eine ausgedehnte Pause gemacht, geht es wieder weiter.

Innere Ruhe ist wichtiger, als äußere Ruhe

Ein wichtiger Gedanke, der dich dabei immer begleiten darf, ist: „Es ist maßgeblich, was im Kopf meines Hundes passiert. Was der Körper dabei tut, spielt nur eine Nebenrolle.“

Was für wirklich zählt

Was ich damit meine, ist, dass bei deiner Einschätzung, ob eine Maßnahme, deinem Hund hilft ruhiger zu werden dein Fokus nicht ausschließlich auf dem Verhalten liegen darf. Die mentale Haltung deines Hundes darf wesentlich mehr Gewicht bekommen sollte, als die Aktionen, die sein Körper dabei tut.

Konkreter am Beispiel:

  • Szenario 1: Du verlangst von deinem Hund, dass er neben dir läuft und sich deinem Tempo anpasst. Er macht das. Er läuft nicht mehr in die Leine, seine Geschwindigkeit ist objektiv langsamer. Mit den Gedanken ist er bei allen möglichen Reizen um ihn herum, oder er schaut dich erwartungsvoll an, was als Nächstes zu tun ist. Hier nutzt dein Hund seine Impulskontrolle, um den Körper zurückzuhalten. Mental ist er noch genauso (wenn nicht noch stärker) angespannt als vorher.
  • Szenario 2: Dein Hund läuft im Rahmen der Leine immer mal wieder an unterschiedliche Positionen (links, rechts, vor dir, hinter dir). Manchmal zieht er auch, weil er irgendwo hin möchte. Er schnüffelt, lauscht und schaut ab und an nach dir. Kann mit seiner Aufmerksamkeit aber noch nicht bei einer Sache bleiben. Er sucht sich selbst eine Beschäftigung und es ist klar, er hat noch Anspannung in sich. Je länger ihr lauft, desto länger verweilt er an einer Schnüffelstelle und desto mehr scheint er mit sich, dir und der Umwelt in Kontakt zu stehen. Die Muskelanspannung wird mit der Zeit immer weniger.

Auch wenn in Szenario 2 der Körper des Hundes scheinbar unruhiger ist, als der des Hundes, der an deiner Seite bleibt, ist doch klar, welcher der Hunde mental entspannter ist. Diese beiden Szenarien sind natürlich überspitzt dargestellt. Mir ist nur wichtig, dass du dich immer fragst „Was passiert gerade mental im Kopf meines Hundes?“, statt dem reinen körperlichen Verhalten alles Gewicht bei der Bewertung zu geben.

Wege zur Entspannung sind sehr individuell

Es kann sogar sein, dass bei deinem Hund, der Weg zu innerer Ruhe über äußere Ruhe führt. Möglicherweise profitiert dein Hund davon, wenn du ihm erstmal äußere Ruhe vorschreibst (durch ein Signal: bei Fuß, Sitz o.ä.). Wenn das so ist – dann nutze das.
Wenn dein Hund im Moment aber von so einer Aufgabe innerlich nur noch angespannter würde, dann lass dem Körper lieber die Aufregung raus zu laufen, während du dem Hund hilfst mental zu entspannen und als Folge davon auch der Körper entspannter werden kann.

Welcher Weg passt, ist von Hund zu Hund unterschiedlich. Und verändert sich auch mit der Zeit, oder sogar von Situation zu Situation für den einzelnen Hund. Hier ist anfangs schlichtes ausprobieren gefragt. Wenn ihr die ersten Erfahrungen gesammelt habt, wird dir dein Bauchgefühl sagen, was dein Hund jetzt gerade braucht.

 

Probier doch auf eurem nächsten Spaziergang einmal eine Variante davon aus und beobachte, was sich für deinen Hund und damit auch für dich verändert. In den nächsten Tagen zeige ich dir hier noch weitere Varianten, wie du durch die reine Gestaltung eurer Spaziergänge für mehr Entspannung sorgen kannst.