„Ernährung eines gestressten Hundes – was ich bisher gelernt habe

„Was fütterst du Alma?“
„Welches Futter kannst du empfehlen?“
„Was kann ich meinem Hund geben, damit er ruhiger wird?“
„Was hältst du von Nahrungsergänzungsmittel XY?“

Warum du von mir keine Futterempfehlung bekommst

Vier Fragen, die mir – so oder ähnlich – jetzt schon seit Jahren immer wieder gestellt werden und auf die ich keine einfache Antwort habe. Beziehungsweise beantworte ich manche Fragen zum Thema Futter nicht, weil ich überzeugt bin, dass die Antwort den Fragesteller nicht weiterbringt. Die passende Ernährung für deinen Hund ist so individuell, wie auch deine eigene. Nur weil Futter XY Nachbars Lumpi gut tut, heißt das noch lange nicht, dass es deinem Hund gut tut. Nur weil viele Hunde mit Tierart X kein Problem haben, heißt das nicht, dass Tierart X bei deinem Hund im Futter nicht trotzdem Probleme machen kann. Die Frage nach der passenden Ernährung wirft regelmäßig regelrechte Grabenkämpfe zwischen Hundehaltern auf. Mir geht es nicht um die Ernährungsweise: Ich bin weder für noch gegen Fertigfutter, weder für noch gegen Frischfutter, weder für noch gegen was auch immer es da für toll klingende „Wir ernähren Lumpi rein nach Methode X“ gibt. Denn am Ende kommt es darauf an, dass im Napf des Hundes Nahrungsmittel landen die er rein körperlich gut verträgt und die ihm auch mental ausgeglichen machen. Denn unsere Hunde kennen keine Methode für ihre Ernährung. Alle jemals erfundenen Methoden sind lediglich Versuche eine komplexe Realität für uns Menschen in irgendein Schema zu bringen, das ist im Training so und in der Ernährung nicht anders.

Ich bin kein Ernährungsberater oder Profi in dem Bereich. Und daher habe ich mich bisher schlicht geweigert zu diesem Thema viel nach draußen zu bringen. Denn am Ende bin ich hier ganz normaler Hundehalter mit – zugegeben – einer sehr intensiven Odyssee bis zur entspannten und passenden Ernährung für Alma. Natürlich habe ich mich auch aus der Trainerperspektive damit auseinandergesetzt wie Futter auf das Verhalten von Hunden wirkt und in dieser Richtung ganz viele Erfahrungen mit Alma gemacht und mit Kundenhunden.

Was du hier in diesem Artikel lesen kannst

Auch in diesem Artikel werde ich keine „Anleitung für die Ernährung eines gestressten Hundes“ geben – in meiner Welt wäre das ziemlich absurd und die Beobachtungen, dass jeder Hunde total anders auf verschiedenen Futter reagiert, könnte das nicht gerecht werden.
Und doch: Neulich hat in meiner Facebookgruppe jemand die Frage anders formuliert und dann fiel mir auf, dass ich doch einiges dazu zu sagen habe. Aus all den Erfahrungen der letzten Jahre, die immer wieder auch bei Kundenhunden gemacht habe, haben sich ein paar Dinge herauskristallisiert, die einen entscheidenden Unterschied machen.

Die Frage lautete sinngemäß: „Wie kann ich meinen reizempfänglichen Hund mittels Ernährung unterstützen?“
Da war sie, die Bereitschaft hinter die Fassade zu blicken, abseits von „Sag mir einfach welches Futter ich füttern soll und gut.“ und ich schrieb alles auf, was ich in den letzten Jahren als „Stellschrauben“ in der Ernährung von (gestressten) Hunden für mich abgespeichert habe. Wahrscheinlich ist meine Lernreise hier noch lange nicht beendet, ich wette in den nächsten Jahren werden mich noch einige Erkenntnisse überraschen. Zum aktuellen Zeitpunkt soll es diese Liste als Grundlage erst einmal sein.

Diese Punkte schreibe ich dir hier jetzt auf, in der Hoffnung, dass sie dir ein paar wertvolle Ideen bringen. Ich werde bei keinem der Punkte bis ins letzte Detail gehen warum und weshalb das so ist und warum der Punkt auf der Liste gelandet ist. Das hier soll nur eine Übersicht darüber geben, worauf ich achte.

Ich habe kein Interesse daran irgendwen zu bekehren oder andere Überzeugungen zu widerlegen. Wie schon gesagt, ich bin in der ganzen Glaubensfrage nach der passenden Ernährungsform für Hunde so weit abseits der Kriegszone, wie du dir nur vorstellen kannst. Für mich ist die richtige Ernährung für den Hund, immer die, die zu ihm passt.

Am Ende des Artikels verlinke ich dir noch ein paar hilfreiche weiterführende Informationen von Menschen, denen ich auf diesem Gebiet vertraue, damit du mehr ins Thema einsteigen kannst, wenn du Lust darauf hast.

Meine 6 wichtigsten Erkenntnisse im Bereich Ernährung und Verhalten

Bevor ich in die Erkenntnisse einsteige, kommt hier noch ein wichtiger Gedanke vorab. Der Einfluss der Ernährung auf das Verhalten ist groß.
In meinem Buch „Hund im Stress“ gehe ich daher auch darauf ein, dass Gesundheit, Ernährung und Training und Alltag zusammenspielen müssen. Für einen entspannteren Hund sind das die großen Bausteine, auf denen Gelassenheit fußen kann. Du wirst mit allem Training und Entspannungsübungen nicht viel erreichen, wenn dein Hund in der Ernährung täglich Futter zu sich nimmt, das auf ihn wirkt wie 10 Tassen Espresso. Andersherum: Allein die Ernährung umzustellen, aber nichts an den Abläufen im Alltag und Training zu verändern, wird wahrscheinlich auch noch keine großen Ergebnisse zeigen. Und nichts von beidem wird euch was bringen, wenn der Hund zum Beispiel unentdeckte Schmerzen, oder Probleme mit der Schilddrüse hat. Alle Bausteine greifen ineinander und bedingen sich gegenseitig.
Das nur als kleine Erinnerung. Und jetzt geht es los, mit meinen Erkenntnissen aus dem Bereich Ernährung für entspanntere Hunde.

Back to Basics, erstmal Klarheit schaffen, bevor das nächste Zaubermittelchen dazukommt

Beim Futter (genau wie bei der Alltagsgestaltung) im ersten Schritt in Richtung „Was kann ich noch weglassen?“ denken, als „was kann ich noch dazu tun?“.
Und zwar nicht in der Menge, sondern in der Anzahl der unterschiedlichen Inhaltsstoffe.


Denn: Wenn schon in der Basis Nahrungsmittel drin sind, die dem Hund Probleme (egal in welche Richtung – Verdauung, Reizverarbeitung, Energiehaushalt) machen, dann wird auch kein zusätzliches Pulver helfen, das wieder auszugleichen.
Ich habe für Alma eine Liste an Nahrungsmitteln, die sie gut verträgt UND die ihr gut tun. Anfangs war diese Liste relativ kurz, weil ich nur von ein paar wirklich wusste, dass sie wirklich gut zu Alma passen. Heute ist die Liste viel länger und wir sind sicherer geworden die passenden Bestandteile auszuwählen.
So weiß ich: Welche Proteinquellen verträgt mein Hund (körperlich und psychisch), welche Kohlenhydrate und welche Gemüse? Und stelle 
aus diesen Nahrungsmitteln dann die Mahlzeiten zusammen.
 
Beispiel von Alma (im Standard – jeweils ergänzt um einzelne Zusätze, wenn es gebraucht wird):
Sie bekommt 2x am Tag (morgens & abends) Kohlenhydrate + eine(max. zwei) Gemüsesorten + hier und da ein paar Nüsse + Blattgrün/ ausgewählte Kräuter.
1x am Tag getrennt davon zu ihr passendes Fleisch (Weil es für Alma wichtig ist das Fleisch einzeln und nicht in Kombination mit Kohlenhydraten zu haben. Für viele andere Hunde wird das egal sein.)
 

Eine Tierart pro Mahlzeit.

Das ist ein Grundsatz der Hundeernährung, auf den sich wohl die meisten Fütterungsexperten -egal welcher Fachrichtung- einigen können.
Warum? Naja: Wenn Hunde jagen gehen, dann erwischen sie keine Mischung aus Pute und Huhn und auch keine 80% Rind mit 4% Lachs. Sie Fressen ein Tier pro Mahlzeit. Eine Maus, ein Kaninchen, ein gemeinsam erlegtes Reh, …
Nur scheint es bei den Futtermittelherstellern nicht angekommen (oder egal) zu sein – schau doch mal in auf die Rückseite deines aktuellen Futters und schau nach ob genau eine Tierart oder mehrere sind. Übrigens „Geflügel“ – ist nicht ein Tier, sondern eine ganze Gruppe.)
Die Vermischung von verschiedenen Tierarten liegt häufig eine Ursache für Allergien und eben auch andere Symptome des Körpers die eher Richtung Verhalten gehen, für „Achtung: Information overload“.
Mehr Zusammenhänge dazu, liest du auch im Gastartikel zur Oralen Toleranz von Tina Hillebrand auf meinem Blog.
 

Welche Tierart?

Tja… Das ist wohl von Hund zu Hund unterschiedlich. Ich kenn zum Beispiel echt viele Hunde, die mit Pferd super klarkommen. Alma bekommt davon Bauchweh.
Und es macht auch einen Unterschied für die einzelnen Hunde, wie das Futter dann zubereitet ist. Manche kommen mit Pute roh super klar, gekocht macht es aber Probleme, und andere Tierarten gehen dann roh wieder nicht.
Es gibt jedoch einige Gedanken, die man bei der Fleischauswahl gut berücksichtigen kann, der aus der chinesischen Medizin kommt: So wie das Tier ist – wird auch sein Fleisch wirken. Denken wir zum Beispiel an Hühner – hast du dann eher gelassene entspannte Wesen vor Augen, die gemütlich einen Schritt nach dem nächsten tun? Wahrscheinlich eher nicht. Daher: Huhn wirkt grundsätzlich eher aktivierend als entspannend. Für einen älteren Hund, der ein bisschen Schwung brauchen könnte vielleicht eine gute Idee. Im Welpenfutter oder Futter für sowieso schon schnell gestresste Hunde ist das nichts, was ich im Hund haben möchte…
 

Proteingehalt

Irgendwie hat sich ja in den letzten Jahren ein „je mehr, desto besser“ in manchen Kreisen als Mantra gebildet.
Was ich bei vielen Kundenhunden sehe, bestätigt das in keiner Weise. Eher andersrum: Wenn das Futter einen hohen Eiweißgehalt hat, steht im Körper sprunghaft viel zu viel Energie zur Verfügung, die er gar nicht nutzen kann. Gute Idee: Kurz vor einem sportlichen Wettkampf. Schlechte Idee; im Alltag, wenn ich einen sowieso schon reizempfänglichen Hund zu mehr Entspannung verhelfen möchte.

Und weil die Frage ja doch kommt: Aus meiner Erfahrung heraus fängt das „zu viel“ im Proteingehalt bei den meisten Hunden irgendwo bei 21%/22% an.
Trotzdem: Das ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Da wird jeder Hund anders reagieren.

Und: Bitte – wenn du das hier liest, dann tu dir einen Gefallen. Tappe nicht in die Falle ein Futter ausschließlich nach seinen Nährstoffangaben zu beurteilen.
Diese Werte sagen nichts über die Qualität der Inhaltsstoffe aus. Wie hoch der Anteil der Proteine ist, sagt dir nichts darüber, was die Proteinquellen sind.
Du würdest bei dir ja auch nicht auf die Idee kommen, dass der Burger aus frischen Zutaten aus der Region genauso wertvoll für deinen Körper ist, wie der Burger einer Fastfoodkette mit identischen Nährstoffwerten.

 

Kohlenhydrate

Wann ist es eigentlich passiert, dass Hunde, die seit Jahrhunderten mit uns Leben und immer nur die Reste (ganz bestimmt nur selten Fleisch) bekommen haben, plötzlich keine Kohlenhydrate mehr kriegen sollen? Ausnahmen bestätigen die Regel: Huskies zum Beispiel werden in ihrer ursprünglichen Heimat meistens quasi ausschließlich von Robben oder Fisch ernährt. Aber alle im weitesten Sinne europäischen Rassen. Was meinst du wer das Fleisch gefressen hat, dass die Menschen sich mithilfe der Hunde mühsam erjagt haben? Die Hunde bestimmt nicht – jedenfalls nicht zu großen Teilen. Und für einen langen Zeitraum im Jahr gab es wahrscheinlich gar kein Fleisch – weder für Mensch noch Tier – auf dem Speiseplan.

Das ist einer der Punkte, die ich am häufigsten sehe. Das der Hund keine oder unpassende Kohlenhydratquellen in der Nahrung hat. Dabei sind sie sehr wichtig für unsere Hunde und deren körperliche Prozesse.

 
Es gibt sehr viele Studien zum Thema Kohlehydrate und Gehirnprozesse beim Hund.
Die Kursfassung und eher laienhafte Erklärung: Damit das Gehirn alle Reize vernünftig verarbeiten kann und der Stresshormonstoffwechsel gut ablaufen kann, braucht es Tryptophan. Tryptophan ist eine Aminosäure, die Kohlenhydrate braucht, um in höheren Mengen im Körper aufgenommen zu werden.
Es nützt als nichts, die teuren Tryptophan Futterzusätze zu kaufen, wenn im Futter nicht auch Kohlenhydrate enthalten sind, damit diese Bausteine im Gehirn auch verwendet werden können. Meistens ist in der Nahrung von sich aus schon genug Tryptophan enthalten, können aber wegen fehlender Kohlenhydrate nicht genutzt werden.
 
Quellen für Kohlenhydrate sind sehr vielfältig und genau wie bei allen anderen Nahrungsmitteln: Was DEIN Hund verträgt und was ihm gut tut, kann völlig verschieden von dem sein, was andere Hunde brauchen.
 
Beispiel Alma: Aktuell und schon seit einiger Zeit liegt der Fokus für ihre Kohlenhydratmahlzeiten bei Haferflocken oder Dinkelgries. Wir hatten schon Phasen in denen Hirsebrei ganz weit oben auf der Liste stand, auch Kartoffeln oder Reis waren zeitweise dabei. Nudeln gehen bei ihr gar nicht. Zu Beginn unserer Ernährungsreise war der Raum für Improvisation sehr dünn. Sobald es Abweichungen von ihrem Optimum gab, hatte sie sofort Bauchschmerzen, Durchfall, oder wurde wahnsinnig aufgedreht – gern auch in Kombination. Heute ein paar Jahre später, habe ich gelernt meinem Bauchgefühl zu vertrauen, wann es besser ist auf altbewährten Standard zu setzen, und wann Raum da ist, um was anderes auszuprobieren und den Speiseplan mal etwas aufzumischen.
 
 

„Futter ist alles, was der Hund frisst.“

Ein Zitat von Tina Hillebrand (meiner Expertin für Gesundheit und Futter für Alma).
Es bringt kurz auf den Punkt, was ausformuliert ungefähr so lautet: Du kannst noch so toll die Hauptmahlzeiten optimieren. Wenn über Leckerchen oder den Snack zwischendurch bei der Nachbarin wieder unpassende Stoffe im Hund landen, wird’s schwierig irgendeine Veränderung über die Hauptmahlzeiten zu erzielen.
Ganz besonders gern übersehen wird das beim Thema Proteingehalt. Da wird dann darauf geachtet, dass der Proteingehalt des Grundfutters im Rahmen ist. Und nachmittags gibt’s toll getrocknete Fleischstücke, als gesunde Zahnpflege. Nichts gegen solche Kauartikel – wirklich nicht. Aber man darf dabei berücksichtigen, dass damit sehr viel mehr Protein im Hund landen kann, als man eigentlich haben wollte, wenn man es nicht in der Rationsgestaltung berücksichtigt. Denn so getrocknet sehen die Stücke sehr klein aus. Den großen Batzen, den man als Frischfleisch für so viel Protein füttern müsste, würden die meisten Hundehalter ihrem Hund nicht auf einen Schlag geben.

Weiterführendes

Falls du jetzt das Bedürfnis hast weiter ins Thema einzusteigen und dich auf deinen eigenen Hundeernährungsweg abseits des Methodendschungels machen möchtest, kommen hier ein paar Empfehlungen zu Menschen, Büchern und Webinaren/Kursen, die mir geholfen haben.

Tina Hillebrand – Tiere anders behandeln

Wenn es um Almas Wohlbefinden geht, ist sie meine Vertrauensperson Nr 1.
Tina begleitet uns nun schon über Jahre. Anfangs sehr intensiv und wegen jedem Niesen. Heute immer dann, wenn ich mit meinem bisher erworbenen Alma-Latein am Ende bin. 🙂
Richtig gute Blogartikel von Tina:

Tinas Onlinekurs: Futterklarheit
Hier erfährst du, wie du die Inhaltsstoffe von Hundefutter lesen lernst, um echte eigene Entscheidungen zu treffen, ohne dich auf die wohlklingenden Marketingslogans zu verlassen. Was heißt „Fleisch- und tierische Nebenerzeugnisse“? „Woran erkenne ich qualitativ hochwertige Inhaltsstoffe“, „was kann ich aus den Nährwerttabellen lesen“ – solche Fragen werden da beantwortet. Und das auf – für mich gewohnte Tina-Art – direkt zum mitmachen.

Tinas kostenloses Webinar: „Einstieg in die intuitive Hundeernährung“
All die vorgeschnürten Ernährungskorsette passen euch nicht, oder du hast das Gefühl, es müsste doch auch einfacher gehen? Dann ist das Webinar genau richtig für dich.

Und hier sind alle von Tinas Onlineangeboten aufgelistet. Ernährung, Gesundheit, Achtsamkeit – von jedem was dabei.

Anke Jobi – Clean Feeding
Wenn man dann mal weiß, was dem eigenen Hund gut tut und was er verträgt, möchte man vielleicht ein bisschen mehr Leichtigkeit in die Fütterung kriegen. Hier öffnet Anke Jobi ganz toll Türen. Gemeinsam genutzte Lebensmittel immer mit einem Auge auf Nachhaltigkeit – in diesem Buch kriegt man ein paar Inspirationen.

Sophie Strodtbeck – Ernährung und Verhalten beim Hund
Wer es etwas wissenschaftlicher mag, der findet hier jede Menge Datenbelege für die Wirkung von Futter auf das Verhalten unserer Hunde.