Zu viel Stress macht krank – das gilt auch für Hunde.

„Achte auf dich und arbeite nicht so viel, sonst macht dich der Stress noch krank.“ So oder ähnlich hast du das sicher schon einmal gehört. Und es stimmt, wer zu viel Stress erlebt, der wird früher oder später sowohl körperlich als auch seelisch darunter leiden. Ganz ähnlich gilt das auch für Hunde. Die körperlichen Reaktionen, die bei Stress ausgelöst werden, sind bei Mensch und Hund nahezu identisch. Daher kannst du viel von dem, was du in Stresssituationen empfindest, auch auf deinen Hund übertragen, ohne dabei das böse Wort „Vermenschlichung“ zu provozieren.

Was ist Stress und wieviel ist „zu viel“?

Wird der Organismus durch einen Reiz dazu aufgefordert, eine Handlung auszuführen -und somit die IST-Situation zu verändern-, spricht man in der Fachsprache von Stress. Das ist also nicht nur dann der Fall, wenn die Anforderung als Überforderung oder als negativ empfunden wird. Jeder Organismus ist täglich einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt, die ihn zu einer Anpassung auffordern.

Wann diese Anforderungen für den jeweiligen Organismus zu viel werden, hängt von sehr vielen Faktoren ab.
Beim Hund sind einige dieser Faktoren die folgenden:

  • seine Rasse
  • Alter
  • Trainingszustand
  • sein Geschlecht
  • der Hormonzustand (läufige Hündin)
  • Fellfarbe (ja, wirklich!)
  • Hunger/Durst
  • Charakter
  • Lernerfahrungen
  • Prägung
  • Verhalten der Mutterhündin
  • Lebensort
  • Außentemperatur

Ich stelle mir das Kontingent, mit dem ein Hund problemlos mit Stress umgehen kann, gerne als Fass vor. Jede Anforderung gibt, mehr oder weniger, Wasser in das Fass hinein. Für jeden Hund ist dieses Fass unterschiedlich groß. Bei manchen hat man das Gefühl, sie hätten einen Swimming Pool und ließen sich niemals aus der Ruhe bringen. Bei anderen hingegen scheint das Fass eher ein Fingerhut zu sein und bei jeder ungewohnten Anforderung überzulaufen.

Wieviel Anforderung und Anpassung der Hund erfüllen kann bevor er deutliche Stresssymptome zeigt, ist damit sehr individuell.

Körperliche Reaktionen und Prozesse, die bei einen Anforderung in Gang gesetzt werden.

Wird eine Anforderung an den Organismus gestellt, entsteht Stress – soviel habe ich im Absatz vorher schon verraten. Ganz konkret bedeutet das, der Körper wird in allgemeine Reaktionsfähigkeit und Alarmbereitschaft versetzt.

Dazu sind folgende Punkte notwendig:

  • erhöhter Herzschlag
  • Muskelanspannung
  • schnellere Atmung
  • höhere Durchblutung
  • Ausschüttung von Adrenalin
  • Produktion von Neurotransmittern zur Informationsübertragung

Der Körper ist im Zustand des akuten Stress (einer starken Stresssituation) ein Stück weit auf „Autopilot“ unterwegs, was bedeutet dass der Instinkt gegenüber den erlernten Verhaltensweisen in den Vordergrund tritt. Lernen ist in diesem Zustand nur erschwert möglich, da das Hirn anders beschäftigt ist. Wer schon versucht hat, einen „Ball-Junkie“ mit vorgehaltenem Ball ein neues Verhalten beizubringen, weiß wie schwierig das im Vergleich zu einer entspannten Lernatmosphäre ist.

Physiologischer Stressabbau im Zeitverlauf

Nach einer akuten Stresssituation sind einige der Reaktionen schnell wieder vorbei. Der Puls, die Atemfrequenz und die Muskelanspannung werden sich nach diesem Moment mehr oder weniger schnell wieder normalisieren.
Das ausgeschüttete Adrenalin allerdings verbleibt länger im Körper, denn es muss erst wieder abgebaut werden. Dieser Prozess des Abbaus kann, je nach Adrenalinmenge, bis zu 7 Tage dauern.
Häufig erzählen Kunden, dass sie übers Wochenende mit dem Hund vereist waren und er sich in den darauffolgenden Tagen „völlig daneben benommen hat“. Das liegt oft daran, dass von dem aufregenden Wochenende noch Stresshormone im Körper verblieben sind.

Wird der Hund regelmäßig (für ihn) sehr aufregenden/stressigen Situationen ausgesetzt, so kumulieren sich die Stressanteile. Es kann täglich nur ein gewisses Maß an Adrenalin und Co abgebaut werden, so dass bei 3 Tagen aufeinanderfolgenden Stresssituationen der Stresspegel immer mehr steigt.

 

 

 

Körperliche Auswirkungen von dauerhaften Stress

Hat der Hund regelmäßig zu viel Stress, ergeben sich aus den oben genannten akuten Reaktionen einige chronische Probleme. Die Alarmbereitschaft des Organismus wird dauerhaft aufrecht erhalten und führt zu einer massiven Belastung. Dieser Zustand ist sehr energieraubend und beeinträchtigt die langfristige Gesundheit des Körpers zugunsten des stressbedingten „Überlebenswillens“.

Das Immunsystem wird geschwächt, die Magensäureproduktion steigt. Häufig sind gestresste Hunde (und auch Menschen) empfindlich im Magen und haben öfter Durchfall oder allgemein Verdauungsprobleme. Schwierig an diesem Punkt ist, dass die körperlichen Probleme das Kontingent für ertragbaren Stress (unser Fass aus dem ersten Absatz) immer kleiner werden lassen. Damit kommt es schneller und häufiger zu akuten Reaktionen und die Reise beginnt von vorn.

Dazu kommt, dass im Körper die Stellen, die das Adrenalin abbauen auch für die Produktion von Glückshormonen zuständig sind. Sie können aber nur entweder das Eine oder das Andere. Ist der Körper ständig mit dem Adrenalinabbau beschäftigt, kann er keine Glückshormone produzieren. Durch den Dauerstress folgen oft Depressionen, schnelle Reizbarkeit/ Aggression, Hyperaktivität und auch erhöhte Schmerzempfindlichkeit.

Eine weitere Stressfolge, die wir Menschen gut kennen, ist der gestörte Wach-/Schlafrhythmus. Wer richtig viel Stress hat, kann oft auch nicht gut schlafen. Und auch das „Entspannen können“ geht verloren, wenn wir zu oft/dauerhaft angespannt sind. Das merken wir meistens im Urlaub. Eine Woche Urlaub ist so gut wie gar nichts, ein echter Entspannungseffekt tritt bei vielen von uns erst in der zweiten Urlaubswoche ein. Hier treffen wir die 7 Tage Adrenalinabbau aus den zweiten Absatz wieder 😉 Das lässt sich genauso auch auf unsere Hunde übertragen. Und wir wissen auch – je länger die Anspannung gedauert hat, desto länger dauert es, bis man sich wieder entspannen kann.