Wenn Kunden mit hyperaktiven Hunden zu mir kommen,  dann arbeite ich häufig mit ihnen an der kompletten Veränderung des Alltags, Trainings, der Beschäftigung und anderer wichtiger Komponenten wie der Ernährung. All diese Dinge lassen sich nicht von heute auf morgen verändern. Selbst wenn das gelingen würde, könnte die volle Wirkung nicht sofort eintreten.

Warum das so ist, darüber möchte ich dir heute einen Überblick geben.
Falls du lieber hörst als liest – findest du hier ein Audio, indem ich die wichtigen Punkte zusammenfasse.

 

Stress hat körperliche Auswirkungen auf deinen Hund

Hierzu habe ich im Artikel Stress macht auch Hunde krank bereits ausführlich berichtet, welche Auswirkungen das sind. In der Kurzform möchte ich dir hier dennoch die wichtigsten Punkte mitgeben.

  1. Eine stressige Situation versetzt den Körper in Alarmbereitschaft – Adrenalin (Stresshormone) wird produziert
  2. Bis zu 1,5 Stunden nach dem Ereignis wird weiter Adrenalin ausgeschüttet
  3. Anschließend benötigt der Körper 7 Tage, um die Stresshormone wieder abzubauen
  4. Sind ständig stressige Situationen für den Hund gegeben, ist das Stresslevel konstant hoch

Du kennst das von dir selbst: Hast du anstrengende Wochen/Monate hinter dir, bist du auch mit Stresshormonen vollgepumpt. Dir geht es nicht besonders gut und du bist besonders reizbar. Selbst eine Woche Urlaub reicht dir nicht, um abzuschalten und dich wirklich zu entspannen. So geht es unseren Hunden auch. Durch das hohe Stresslevel kann der Hund rein körperlich gar nicht zur Ruhe kommen, selbst wenn „schon“ eine Woche alles umgestellt ist. Das braucht Zeit.

Sobald die physischen Auswirkungen des Stress sich beim Hund langsam wieder normalisieren, können neue Muster erlernt werden.

Ein Neuanfang ohne gestressten Hund bringt viele Veränderungen mit

Während das Stresslevel sich langsam wieder normalisiert, beginnen wir im Training damit, Gewohnheiten zu verändern. Wo früher bei jedem Geräusch sofort eine Reaktion des Hundes zu hören war, hat er jetzt durch seine entspanntere Grundlage die Chance, den Auslöser anders wahrzunehmen. Wir trainieren also, dass der Hund nicht mehr übermäßig auf Geräusche reagiert. Auch hier braucht es Zeit. Der Hund bekommt die Chance, diese Erfahrung für sich selbst zu machen und erkennt mit der Zeit, dass es auch für ihn leichter ist, dem mit Gelassenheit zu begegnen.

Außerdem führen wir dann neue Rituale ein, die dem Hund die Entspannung erleichtern. Auch das Etablieren neuer Rituale braucht Zeit. Ein typisches Beispiel ist das Einrichten eines „Ruheortes“ für den Hund. Also eines Ortes, an dem er völlig zur Ruhe kommt und alles hat, was ihm dabei hilft. Es könnte also sein, dass hier anfangs Massagen und Entspannungsmusik zum Ritual werden, damit der Hund an seinem neuen Ruheort abschalten kann. Im Laufe der Zeit wird er lernen, diesen Ort von sich aus für seine Entspannung aufzusuchen.
Auch das geschieht über einen längeren Zeitraum und kann nicht durch das aktive Training eines „Platz“ oder „Geh in dein Körbchen“ Signales erreicht werden.

Die optimalen Bedingungen sind für jeden Hund anders und entwickeln sich

Wie lange dauert es Problemverhalten zu lösen. Wie lange soll ich mit meinem Hund trainierenWie die optimalen Bedingungen für deinen Hund aussehen, damit er sich aktiv entspannen kann, das ist sehr individuell. Was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass es keine Patentlösung gibt und es mehr als eine Dimension gibt, deren Veränderung einen hyperaktiven Hund ruhiger werden lässt.

Innerhalb von Alltagsstruktur, Art und Dauer der Beschäftigung sowie der Gesundheit & Ernährung gibt es so viele Komponenten. Alle möchten zusammenpassen und für dich sowie deinen Hund passend gewählt werden. Hier brauchst du ein gutes Gespür dafür, was dem Hund und dir selbst gut tut.

Außerdem ist es durchaus möglich, dass die Bedürfnisse sich verändern. Was zu Beginn für den völlig hyperaktiven Hund noch gut war, kann nach einer gewissen Zeit, wenn das Stresslevel heruntergefahren ist, wieder ganz anders aussehen.
Beispiel: Ein absolut hyperaktiver Hund kann stark davon profitieren, wenn er über Wochen hinweg keine zusätzliche Beschäftigung zu normalen Spaziergängen hat. Ist der Dauerstress aus dem Körper verschwunden und der Hund wieder im „Normalzustand“ ist es möglich, dass ein paar zusätzliche Denksportaufgaben zur Ausgeglichenheit beitragen.

Das ist sehr schön, denn alles ist im Wandel und wir dürfen uns immer wieder mit neuen Ausgangssituationen befassen. Auf der anderen Seite ist das auch eine Herausforderung für uns Hundehalter – mit offenen Augen immer wieder neu zu bewerten, was passend erscheint und was aktuell nicht gut passt.

Übliche Zeiträume die Hunde brauchen um zur Ruhe zu kommen

Ich werde mal etwas konkreter. Aus Erfahrung weiß ich, dass es unter optimalen Umständen mindestens 4 Wochen braucht, bis der Hund auch die Dauerstresseffekte so weit abgeschüttelt hat, dass aktives Training an Problemverhaltensweisen wieder Sinn macht. Insbesondere wenn das Verhalten durch die Überreizung des Hundes ausgelöst wird, erledigen sich mit der Umstellung im Alltag schon jede Menge der vorher drastischen Probleme.

Unter optimalen Bedingungen verstehe ich, dass es möglich ist, den Alltag so für den Hund anzupassen, dass er zur Ruhe kommen kann. Oft ist das nicht der Fall. Zum Beispiel wenn kleine Kinder im Haushalt leben und der Hund sich dadurch gerne ablenken lässt. Unter diesen Voraussetzungen braucht es schlicht ein wenig länger und ein zielgerichtetes Training mit den aktiven Entspannungstechniken.

Im Grunde ist alles ständig im Wandel und kein Prozess ist je wirklich abgeschlossen – so ist das Leben. Ein realistischer Zeitraum, in dem sich bedeutende Erleichterungen im Alltag für Hund und Mensch herstellen lassen liegt bei ca. 2-3 Monaten.

 

Welche Erfahrungen hast du gemacht? Wie lange braucht dein Hund, um stressige Situationen zu verarbeiten und nach einen stressigen Wochenende wieder ganz bei sich zu sein?