Impulskontrolle für Hunde ist in aller Munde, doch was ist das wirklich und warum brauchst du das? Und vor allem – wie geht Impulskontrolle für besonders nervöse Hunde, die wirklich Probleme damit haben? In meiner kostenlosen Facebookgruppe habe ich gefragt, was die Mitglieder zum Thema interessiert und was sie wissen möchten. Spannende Fragen wurden gestellt und ich möchte mit diesem Artikel etwas Licht ins Dunkel bringen.

Also los geht’s – was ist Impulskontrolle überhaupt?

Eine mögliche Definition: Die Fähigkeit, einen unbewussten Handlungsimpuls situativ zu unterdrücken und den entsprechenden Reiz auszuhalten ohne direkt darauf zu reagieren.
Salopp gesprochen: Dem Impuls, dem Hasen hinterherzurennen nicht nachzugehen, sondern den Hintern auf den Boden drücken.

Zur Abgrenzung: Häufig wird Impulskontrolle mit Frustrationstoleranz in einen Topf geworfen, dabei ist es nicht wirklich das Selbe. Frustrationstoleranz ist die Fähigkeit, auch unangenehme = frustrierende Momente auszuhalten. Am Hasenbeispiel: Zunächst ist die Impulskontrolle gefragt, wenn der Hund sitzen bleiben soll. Rennt der Hase dann noch weiter vor der Hundenase rum, kann eine ganze Menge Frust aufkommen, der vom Hund auch noch bewältigt werden möchte. Aber auch andere äußere Umstände wie Kälte oder Hunger können die Frustrationstoleranz stark beanspruchen. Dazu in einem weiteren Artikel mehr – heute geht es um die Impulskontrolle.

Es ist möglich Impulskontrolle zu verbessern

Anleitung für Impulskontrolle beim Hund Geduld

Das ist die gute Nachricht: Wenn dein Hund sich aktuell nur sehr schwer zurückhalten kann, dann kannst du das mit ihm üben.
Von den üblichen Methoden wie „lass den Hund 10min vorm gefüllten Futternapf sitzen“ halte ich insofern nicht viel, als dass ich überzeugt bin, dass das die Impulskontrolle in anderen Situationen nicht steigert. Warum das sogar für andere Situationen schwierig werden kann, dazu komme ich später noch.

Natürlich sollte ein Hund lernen dürfen, auch bei schwierigeren Reizen gelassen zu bleiben und nicht affektiv zu reagieren. Das ist nur gesund und für ein entspanntes Leben unabdingbar. Stell dir vor, du würdest dich ständig von jedem Geräusch oder vorbeifliegenden Vogel ablenken lassen. Das wäre ziemlich anstrengend.

Wenn dein Hund grundsätzlich gut ansprechbar ist und nur in einigen Momenten abgelenkt ist, dann kannst du wunderbar an diesen speziellen Dingen mit ihm üben. Wie in jedem Training startest du mit einer Schwierigkeitsstufe, die dein Hund noch gut bewältigen kann. Du gehst also auf einen entsprechenden Abstand zum Reiz, in dem dein Hund alles wahrnimmt und sich interessiert, aber noch gut mit dir kommuniziert. Schafft dein Hund das gut, lobst du ihn (mit einer Belohnung, die ihn nicht nervös werden lässt) und gehst aus der Situation. Beim nächsten Mal kannst du schon etwas näher rangehen. Der Zeitraum, in dem dein Hund den Reiz ohne Reaktion aushalten soll, ist ebenfalls eine Möglichkeit die Schwierigkeit zu beeinflussen. Den Hasen nur kurz zu sehen ist deutlich leichter zu bewältigen, als zehn Minuten vorm Hasengehege zu sitzen 😉

Ist dein Hund so nervös, dass Training in der speziellen Situation gar nicht möglich ist, dann hilft es im Alltag ohne zusätzliche Ablenkung zu starten und ein „Warte“-Signal einzuführen. Das kannst du immer dann einbauen, wenn dein Hund für einen kurzen Moment auf den nächsten Schritt warten soll.
Wichtig – hierbei geht es darum, dass Signal zu verknüpfen, damit du das später nutzen kannst. Die beim Aufbau gezeigte Impulskontrolle führt nicht automatisch dazu, dass dein Hund bei schwierigen Reizen völlig cool bleibt.
Mögliche Momente sind:

  • wenn ihr nach Hause kommt und bevor du ihm das Geschirr ausziehst,
  • wenn ihr euch in der Wohnung bewegt und du in ein anderes Zimmer gehst, dein Hund mitkommen möchte, lass ihn kurz warten, bevor du ihm erlaubst weiterzugehen
  • lass ihn kurz warten bevor er zum Futter darf
  • bevor dein Hund aus dem Auto aussteigen darf

Hat dein Hund verstanden, was „Warte“ bedeutet und weiß, dass jetzt ein kurzer Moment Geduld gefragt ist bevor es weitergeht, ist dein Ziel erreicht. Anschließend kannst du mit der Geduldsübung bei den für euch im Alltag wichtigen Reizen anfangen.

Grenzenlose Impulskontrolle – Mythos oder sinnvolles Trainingsziel?

Es gibt Hunde, die scheinen von Natur aus über eine grenzenlose Geduld zu verfügen und nichts scheint sie aus der Ruhe zu bringen. Wenn dein Hund eine dieser Persönlichkeiten ist, dann herzlichen Glückwunsch 🙂 Sehr wahrscheinlich bist du aber hier auf dem Blog gelandet, weil das nicht so ist.

Du fragst dich vielleicht, wieviel du üben musst, bis dein Hund zu so einer gelassenen Persönlichkeit wird. Meine Antwort ist: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein sehr impulsiver und nervöser Hund in jeder nur denkbaren Situation ruhig bleiben kann.

Hunde Geduld rastet aus keine ImpulskontrolleDie Fähigkeit mit dieser Form von Stress umzugehen ist von Hund zu Hund und für die jeweilige Situation unterschiedlich. Stell dir das Potential von stressigen Situationen wie ein Fass vor. Jedes Mal, wenn dein Hund Geduld aufbringen muss, um nicht seinen direkten Impulsen zu folgen, gelangt mehr Wasser in das Fass. Ist das Fass voll, ist von der Kontrolle nichts mehr übrig, sondern die instinktive Reaktion übernimmt.

Wie groß das Fass deines Hundes ist, wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Rasse, der Welpenzeit, dem Hormonstatus , der Gesundheit, der Erziehung, der Persönlichkeit gibt es noch viele weitere Einflüsse. Darüberhinaus spielt auch die Tagesform – die des Hundes und deine eigene – eine große Rolle.

Ein Beispiel, wie das gemeint ist:

Unser Beispielhund kommt aus dem Ausland. Er ist ohne Menschenkontakt am Strand aufgewachsen und soll nun in einer deutschen Großstadt ein glückliches Leben führen. Seine Familie ist bemüht, ihm alles zu zeigen und trainiert fleißig mit ihm. Der Sohn hat gelesen, es sei hilfreich, den Hund vor dem Futternapf warten zu lassen und ihm so Impulskontrolle beizubringen. Doch irgendwie klappt das nicht, denn wenn der Hund draußen einen Fahrradfahrer sieht, rastet er dennoch völlig aus.

Das Fass dieses Hundes ist normalgroß; in der Umgebung, in der er aufgewachsen ist, war er nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Die neue Lebenssituation und all die Reize jedoch bereiten ihm Stress, denn er muss sich mit allem neu auseinandersetzen. Er muss völlig neu lernen, was einer Reaktion bedarf und was nicht. Jede für ihn neue Situation füllt das Fass mit Wasser. Da schon allein der Alltag sein Fässchen immer wieder auffüllt, bleibt nicht mehr viel Platz, um mit echten „Geduldsproben“ umzugehen. Er reagiert also ziemlich häufig auf für ihn neue Situationen, die andere Hunde als völlig normal empfinden.

Die Übung der Impulskontrolle vor dem Futternapf führt in dem Fall nur dazu, dass noch mehr Wasser in das Fass kommt. Für den Hund, der in seinem früheren Leben sicher nicht immer genug zu essen hatte, ist das eine riesen Anstrengung. Für die Situation mit dem Radfahrer ist diese Übung völlig fehlgeleitet, denn es strengt den Hund zusätzlich an und füllt sein Geduldsfass bis zum Anschlag.

Fazit – wie du die Impulskontrolle deines Hundes sinnvoll verbessern kannst

Wenn du mit deinem Hund an der Geduld und Selbstkontrolle in bestimmten Situationen üben möchtest, dann sind die folgenden Dinge wichtig.

  1. Konzentriere dich auf die Situationen, die für euch wirklich wichtig sind.
    (Lass die Futternapfübung sein, wenn dein Hund sowieso schon Probleme hat und Futter für ihn enorm wichtig ist. Übe an den Dingen, die wirklich wichtig sind: Jogger/Radfahrer/Enten…)
  2. Trainiere nur dann, wenn du und dein Hund gut drauf sind. (Um ihn in anstrengenden Phasen nicht noch zusätzlich mit dem Training zu stressen)
  3. Beachte das allgemeine Stresslevel deines Hundes und übe nur, wenn für zusätzliche Anspannung noch „Platz“ ist.
  4. Achte darauf, trotz all der Übung am Ende noch „Geduld“ für das echte Leben aufzusparen.
  5. Stimme die Übungen in der Schwierigkeit auf deinen Hund ab.
  6. Steigere die Schwierigkeit langsam.