Warum es manchen Hunden so schwer fällt draußen zu entspannen und wie Alma es geschafft hat
Wenn ein Hund sich in jeder Umgebung wirklich entspannen kann, dann wird das Leben für Mensch und Hund gleichermaßen so viel leichter. Der Hund ist einfach dabei, erlebt Abenteuer, zaubert allen ein Lächeln ins Gesicht, fühlt sich wie selbstverständlich überall wohl und nutzt Pausen zum Schlafen, sobald sich die Gelegenheit ergibt.
Ginger, unser Familienhund mit der ich aufgewachsen bin, war so ein Hund. Trotz ihrer 3,5 kg war sie absolut souverän in unterschiedlichsten Lebenslagen. Ohne jegliches Training war sie immer und überall dabei. Urlaube, Ausflüge, Umzüge – Ginger war das alles egal. Wo wir waren, war sie zu Hause und fühlte sich wohl. Sie fuhr unten im Kinderwagen mit, wenn sie keine Lust mehr hatte und schlief dort, wenn sie müde war. Als kein Kinderwagen mehr da war, fand sich schon irgendwer, der sie in der Jacke oder im Rucksack trug, wenn die kleinen Beine keine Lust mehr auf Abenteuer hatten. Sie kam mit mir und meinen Freunden an den See, sprang mit uns herum und suchte sich ein gemütliches Schattenplätzchen für ein Schläfchen, wenn sie genug hatte. Mit ihr war das Leben so simpel. Denn sie konnte das alles. Einfach so. Wir wussten nichts darüber, wie man es dem Hund leicht macht und wir hätten damals keine Ahnung gehabt, was wir hätten tun sollen, wenn Ginger nicht einfach von sich aus so gelassen gewesen wäre.
Ich weiß also, wie es sich anfühlt, wenn ein Hund das einfach so kann. Und es ist toll. Und ich weiß auch, dass nicht jeder Hund so ist. Ich möchte sogar so weit gehen zu behaupten, dass nicht jeder Hund diesen Grad an Gelassenheit erlernen kann. Und doch gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie wir unsere Hunde dabei unterstützen können gelassener zu werden und ihnen helfen auch außerhalb ihres zu Hauses Entspannung zu finden.
In diesem Artikel möchte ich dir erklären, warum es für viele unserer Hunde so schwierig ist, inmitten von vielen Außenreizen ruhig zu bleiben und warum es manche Hunde augenscheinlich einfach so können. Das geht am leichtesten im Vergleich von Straßenhunden und Familienhunden. In der zweiten Hälfte dieses Artikels erzähle ich dir wie Alma, die früher draußen nur Vollgas kannte, über die Zeit gelernt hat Umgebungsreize so gelassen aufzunehmen, dass sie heute sogar draußen schlummern kann. Durch Almas Geschichte siehst du einerseits, dass dieser Prozess von vielen Faktoren beeinflusst wird und Zeit eine Rolle spielt. Aber du kannst hoffentlich damit auch Zuversicht fassen, dass auch dein Hund draußen gelassener werden kann. Denn, wenn Alma das kann, kann dein Hund das auch.
In einem zweiten Artikel fasse ich dann zusammen, was du konkret tun kannst, um deinen Hund zu unterstützen.
Straßenhunde sind Experten im Draußen abschalten
Hunde, die draußen richtig gut zur Ruhe kommen können, haben wir alle schon gesehen. Echte Profis darin sind Straßenhunde oder Hunde von Obdachlosen.
Egal wie viel Trubel im außen ist, sie suchen sich einen Platz, an dem sie sich sicher fühlen, und hängen dort ab. Was machen die anders? Was können wir davon lernen?
Warum Straßenhunde so entspannt sind
Es gibt viele Theorien dazu, warum diese Hunde meistens so entspannt sind. „Es ist feste Tagesstruktur“, sagen die einen. Daraus wird leiten sie dann ab „Du musst deinem Hund einen festen Tagesablauf mit Ritualen geben und schon wird er entspannen können“. Auch: „Das sind eben bestimmte Hundetypen, normale Familienhunde können das nicht“, habe ich schon viel gehört. Wahrscheinlich sind es viele Gründe, die eine Rolle spielen.
Ich glaube, dass es vor allem ein Grund ist, der den Unterschied macht. Diese Hunde sind den größten Teil des Tages draußen und halten sich den ganzen Tag über in ähnlicher Umgebung auf. Meistens kennen sie das vom ersten Tag ihres Lebens. Sie sind gewohnt die Umgebungsreize auszublenden und einzusortieren. Ihr System übt von Beginn an bestimmte Reize auszublenden und kann dadurch automatisiert entscheiden, ob ein Reiz einer Reaktion bedarf und sie betrifft oder nicht.
Sie leben außerdem in relativ festen Gebieten. Egal ob es der Straßenhund ist, oder der Hund eines Obdachlose, sie leben in ihrem Revier. Kennen sich genau aus. Wissen, wer da wohnt und wer nur durchläuft. Selbst mitten in Berlin hat so ein Hund ein sehr genaues Bild davon, welche Menschen und Hunde innerhalb seines Bereichs wohnen und welche Masse an Besuchern er einfach als „durchlaufenden Posten“ ad acta legen kann.
Was solche Hunde den in klassischen Familien lebenden Hunden in der Hinsicht voraus haben, ist vor allem eines: Zeit. Ihr Leben spielt sich draußen ab. Sie haben deutlich mehr „draußen-Erfahrung“ als unserer Familienhunde.
Familienhunde sind ab Geburt im Nachteil beim „draußen entspannen“
Die typischen Familienhunde werden meistens irgendwo in häuslicher Umgebung geboren. Selbst wenn das inmitten des Familienalltags und nicht im abgelegenen Zimmer stattfindet, so kennen sie die Geräusche von spielenden Kindern, dem laufenden Fernseher, dem Staubsauger. Vielleicht hören sie gedämpft sogar Straßengeräusche von draußen und bekommen hin und wieder auch leichte Gerüche von außen mit. Ihre Erfahrungswerte, mit denen das Gehirn arbeitet, beziehen sich also in den ersten Tagen und Wochen hauptsächlich auf die Wohnungsumgebung. Diese erste Zeit ist maßgeblich dafür, was das Gehirn als „Grundrauschen“ an Reizen abspeichert und was es als Reiz wahrnimmt, den es genauer zu verarbeiten gilt.
Ein Welpe, der irgendwo in Straßennähe zur Welt kommt, hat schon in den ersten Wochen seines Lebens mehr vorbeifahrende Autos gehört, als ein beim deutschen Züchter geborener Hund, der zu normalen Spaziergängen rausgeht, im gesamten ersten Jahr erleben wird. Und da sind wir nicht nur im Bereich der Geräusche, sondern bei allen Sinneseindrücken. Gerüche, Temperaturunterschiede, Witterung, optische Reize. All das nimmt will im Gehirn verarbeitet werden, wenn es nicht direkt als „alles wie immer“ durchläuft.
Auch außerhalb dieser Gewöhnung und der Programmierung des Gehirns auf „was ist Grundrauschen?“ und „womit beschäftige ich mich?“, gibt es für den Familienhund einen großen Unterschied. Wenn der Familienhund zu den Spaziergängen am Tag den Innenbereich verlässt, erlebt er jedes Mal einen enormen Anstieg an Reizen im Vergleich zu den Stunden vorher, die er drinnen verbracht hat. Die Haustür geht auf und plötzlich kommt eine Welle an Gerüchen, Geräuschen und optischen und taktilen Reizen auf den Hund zu. Es gibt quasi immer ein Feuerwerk, sobald es rausgeht. Dadurch passiert es schnell – schon ohne das wir Menschen noch mit Beschäftigung, Training und dem Gedanken uns für den Hund spannend machen zu müssen – das der Hund das Draußensein mit Aufregung verbindet, weil er all die Reize nicht entspannt wahrnehmen lernt.
Wie gut ein Hund trotz all dieser schwereren Bedingungen (im Vergleich zu Straßenhunden) lernen kann, Reize draußen entspannt aufzunehmen, oder gar unbearbeitet durchlaufen zu lassen, hängt von vielen Faktoren ab.
Zum einen von seiner Rasse: Gehört er zu einer Rasse, deren Job es früher war auf das Grundstück aufzupassen und nur dann aktiv zu werden, wenn es wirklich nötig wird, dann wird ihm das leichter fallen. Eine Rasse, die dazu da ist höchst sensibel und superschnell auf die Signale des Menschen zu reagieren (die meisten Jagdhunde zum Beispiel), dann wird das Ausblenden von Reizen für sie eher zur Herausforderung werden.
Auch der individuelle Charakter abseits der Rasse spielt eine Rolle. Den richtigen Welpen auszusuchen, kann daher vor einigen Herausforderungen und späteren Problemen schützen.
Die Lebensumstände, in denen der Hund groß wird und welche Erfahrungen er machen darf, wie er die Welt kennenlernt und wie hoch das alltägliche Anspannungslevel ist, spielen mit rein. All das beeinflusst, wie gut und wie schnell ein Hund lernen kann sich draußen zu entspannen.
Ich erzähle dir jetzt wie diese Entwicklung bei Alma in den Jahren, in denen sich mich jetzt schon begleitet, verlaufen ist. Alma ist ganz bestimmt kein durchschnittlich aufgeregter Hund, der einfach ein bisschen Unterstützung bei der Entspannung brauchte. Sie ist der sensibelste und war der angespannteste Hund, den ich bisher kennengelernt habe. Ihre Entwicklung zum „draußen entspannen können“ verlief über Jahre hinweg und ist noch immer nicht abgeschlossen. Doch mittlerweile hat sie ein Level erreicht, das ich früher ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten hätte. Ich hoffe dir hilft unsere Geschichte zu verstehen wie viele Faktoren dabei eine Rolle spielen und das es Zeit braucht. Aber eben auch, das es möglich ist. Und die konkreten Tipps und Herangehensweisen wie du deinem Hund helfen kannst das auch zu lernen, die findest du dann im Artikel „So lernt dein Hund draußen Abschalten“ quasi als Praxisteil zu diesem Hintergrundwissen hier.
Almas Entwicklung in den letzten Jahren
Mitten in der Zeit meiner Hundetrainer-Ausbildung lernte ich Alma kennen. Alma, die draußen nur Vollgas kannte und ständig unter Hochspannung stand. Miss 3000 Volt eroberte mein Herz im Sturm. Anfangs war ich ihre Hundesitterin. Ich sprang am Wochenende oder zu Urlauben ein, wenn ihre erste Familie eine Betreuung für sie brauchte. Über die nächsten Jahre entwickelte sich nicht nur die Liebe zu Alma, sondern auch die Freundschaft zu ihren Menschen. Uns wurde klar, dass Alma bei mir besser zur Ruhe kommen kann und so verbrachte sie immer mehr Zeit bei mir, bis sie irgendwann ganz bei mir einzog.
Damit du einschätzen kannst über welchen Zeitraum und welche Rahmenbedingungen wir sprechen, habe ich das jeweils in einzelne Abschnitte gegliedert. Ich will damit nicht sagen, dass diese Entwicklung auch bei dir so lange dauern muss. Aber auf jeden Fall sensibilisieren, dass es eben genau das ist: ein Prozess. Und ich bin auch überzeugt davon, dass Alma heute draußen rumliegen und dösen kann, weil unsere Lebenssituation sehr viel besser zu ihr (und mir) passt als früher. Ich denke nicht, dass das möglich wäre, würden wir noch in der Stadt wohnen.
Grundsätzlich begleiten uns: Entschleunigung des Alltags, Training von Stresssituationen, Futteroptimierungen und viele Faktoren mehr dauerhaft durch unseren Alltag. Es ist nicht möglich nur das Thema „Entspannung draußen“ üben zu wollen, wenn an allen anderen Ecken des Lebens noch ständig neue Stressfaktoren dazukommen.
Also lass uns mal reinschauen in unseren Weg. Von früher: nur auf Spannung, immer schnell, immer angespannt. Zu heute: gelassen unterwegs inkl. Dösen und richtig abhängen draußen.
3 Jahre alt, sporadisch bei mir, mitten in der Stadt
Immer auf Vollgas, jedes Geräusch ein Beller wert, langsam laufen unmöglich. Sie war immer ansprechbar und reagierte sofort. Drehte auf dem Absatz um, wenn ich sie rief, sprintete zu mir, hüpfte um mich herum. Auf den ersten Blick: „Boah ist die gut erzogen! Die reagiert ja sofort. Und wie fröhlich sie ist.“ Stimmt, sie war gut erzogen. Und bei allem wo sie schnell sein konnte, fiel ihre innere Anspannung und Hektik gar nicht auf.
Langsam laufen fiel ihr schwer und damit auch das Laufen an lockerer Leine. Wenn ich mir die Schuhe schnürte, trappelte sie auf der Stelle, manchmal bellte sie vor Anspannung. Andere Hunde, entgegenkommende Menschen – wenn Alma von Reizen überrascht wurde, bellte sie auch diese prophylaktisch erst einmal an. Als ich Alma kennenlernte, war das der Status quo.
4/5 Jahre alt, zur Hälfte bei mir wohnend, meistens am Stadtrand
Wir entschleunigten, sorgten dafür, dass Spaziergänge ruhiger ablaufen konnten. Irgendwann galoppierte sie nicht mehr ununterbrochen, sondern trabte den Weg entlang. Immer öfter blieb sie stehen, sah sich nach mir um, statt in einem Affenzahn an mir vorbeizulaufen, wenn sie sich vergewissern wollte, dass alles ok mit uns war.
Ich erinnere mich noch gut an einen Tag, als wir im Wald unterwegs waren und Alma im Schritt hinter mir herlief. Gemütlich, zufrieden mit sich und der Welt und aus eigener Entscheidung. Ich war so glücklich darüber, dass ich einer Freundin auf der Fahrt nach Hause direkt davon erzählen musste. Alma, meine Alma konnte langsam laufen. Und zwar von sich aus und völlig entspannt. Das war ein Durchbruch für uns, das Gefühl weiß ich bis heute noch.
Zu diesem Zeitpunkt waren Pausen schon möglich. Wenn die Umgebung ruhig genug war – soll heißen, wenn wir komplett alleine irgendwo in der Natur waren – konnte ich mich hinsetzen und in die Gegend schauen. Alma beschäftigte sich meist in meiner direkten Umgebung mit Schnüffeln oder kaute auf irgendwas herum. Neben mir sitzen und nichts tun, das war damals noch nicht drin. Manchmal stellte sie sich neben mich und schnüffelte lange und genüsslich, wenn der Wind über den Hügel nach oben kam und all die Gerüche aus dem Tal mitbrachte.
Nach und nach konnte die Umgebung immer „aufregender“ werden. Wobei aufregend sicher das falsche Wort ist, denn ich rede von Geräuschen wie in der Ferne vorbeifahrenden Autos, in weiter Distanz spielende Kinder, kurz: Geräusche der Zivilisation. Alles, was nicht mehr komplette Ruhe und Natur bedeutet.
7/8 Jahre alt, komplett mit mir lebend, teilweise Stadt, teilweise Wohnwagen im Wald
Spaziergänge sind jetzt an sich schon gar keine große Aufregung mehr. Meistens laufen wir gemütlich durch die Gegend und genießen die Natur. Selbst in Phase in denen wir in der Stadt wohnen, sind Hundebegegnungen am Fließband, laute Umgebung und viele Reize kein Problem. Fremde oder bekannte Umgebungen machen fast keinen Unterschied mehr. Dennoch: Wenn draußen so viel los ist, ist an hinlegen nicht zu denken.
Die Zeit, die wir im Wald im Wohnwagen leben, lernt Alma das erste Mal außerhalb einer abgesicherten Umgebung (Haus, Auto, Wohnwagen, …) sich hinzulegen und entspannt liegend den Vögeln zu lauschen. Der Bereich um den Wohnwagen fühlt sich wie ein erweitertes Wohnzimmer für sie an. Wenn ich draußen sitze und arbeite, kann sie sich daneben legen und die Zeit genießen. Allerdings ist sie dabei immer noch wach und beobachtet und lauscht entspannt. Dösen und mit geschlossenen Augen richtig Abschalten kommt erst später.
Die ganzen Jahre vorher, war für uns nie ein Thema, dass Alma mit in ein Restaurant oder Biergarten geht. Erstens, weil ich wusste, dass es damals schlichtweg zu viel Aufregung für sie gewesen wäre. Zweitens, weil sie super alleine bleibt und diese Zeit auch braucht und genießt. Und drittens, weil Restaurantbesuche und ähnliches in meinem Leben super selten vorkommen, weshalb mir völlig egal war, ob sie das kann oder nicht. Wäre es für mich wichtig gewesen, hätte ich das einfach bewusst mit ihr geübt.
Und trotzdem in dem Sommer, den wir im Wohnwagen verbracht haben, habe ich sie mit auf einen Ausflug genommen. Ich war mit einer Freundin unterwegs und wir hielten auf dem Rückweg an einem Café an. Es war super warm an dem Tag, also war es keine Option Alma im Auto zu lassen. Also – Premiere seit Ewigkeiten – nahm ich sie mit. Und war erstaunt, wie gut das schon ging. Selbst kurz hinlegen war möglich. Richtig entspannt war das noch nicht, wenn Menschen kamen und gingen, war ihr das noch nicht ganz geheuer. Und ich war Stolz. Wir hatten das nie geübt. Doch die allgemeine Ruhe und das abhängen rund um den Wohnwagen hatten ihr einige wichtige Fähigkeiten beigebracht.
11/12 Jahre alt, größtenteils nur Alma und ich, im Wohnmobil
Wir verbringen das Frühjahr auf einem Campingplatz. Wir haben dort unseren festen Platz und genießen die Ruhe. Größtenteils ist es auch ruhig. An Wochenenden und in den Ferien ist richtig was los. Menschen und Hunde gehen vorbei. Autos fahren, Autotüren schlagen zu, spielende Kinder im Wald hinter uns sind zu hören.
Alma lernt sich draußen völlig zu entspannen. Legt sich vollkommen flach auf die Seite, schließt die Augen und döst sogar ein. Wenn es ruhig ist, klappt das sogar, ohne das ich daneben sitze oder liege. Wenn nach einer sehr ruhigen Phase Geräusche in der Umgebung plötzlich da sind, reagiert sie manchmal noch, lässt sich dann aber schnell auf „ok, die sind jetzt da“ ein. Direkt am Platz vorbeigehende Menschen und Hunde kann ich gut mit ihr gemeinsam meistern, wenn wir sie früh genug sehen und ich Sicherheit geben kann. Dann reicht ein „das passt schon, die dürfen hier sein“ und ein Lob, fürs ruhig bleiben. Tauchen die Menschen überraschend auf und sind dann plötzlich direkt vor uns, kann es sein, dass Alma sie kurz anbellt, sich dann aber schnell wieder beruhigt.
Auch als wir vom Campingplatz abfahren und wieder jede Nacht an einem anderen Ort übernachten, bleibt die neue Fähigkeit „draußen gemütlich abhängen“ erhalten. Sofern keiner zu nah an unserem Auto ist, kann sie sich einfach in der Nähe des Autos aufhalten.
Unser Ziel auf dieser Tour: Eine große Familienfeier. Ich hatte echt Bauchschmerzen, wie Alma das alles machen würde. Eine Familienfeier und die Bedürfnisse aller Menschen und Almas Bedürfnisse unter einen Hut bekommen, das hätte ziemlich explosiv werden können. Einfach weil so eine Situation soweit außerhalb Almas üblichen Bedürfnissen und ihrer Komfortzone liegt, dass sie viele Kompromisse würde machen müssen. Und ich wusste nicht, ob ihre Batterie groß genug war, um diese Kompromisse über das ganze Wochenende auszuhalten. Außerdem war es Hochsommer und ich hoffte das Wetter würde passen, damit sie ihre Pausen im Wohnmobil haben könnte. Viele Unklarheiten vorab. Mit viel Pech hätte das ein echt stressiges Wochenende werden können.
Und dann hatten wir einfach ein super schönes Wochenende mit der Familie, Alma war mittendrin und fühlte sich total wohl. Sie brauchte ihre Pausen zum Schlafen, wollte nicht durchgehend mit dabei sein, aber sie konnte es. Am ersten Abend nahm ich sie mit in den Speiseraum. Und sie legte sich einfach dazu und döste sogar ein wenig. Ich war total überrascht und mir viel ein Stein vom Herzen. Auch meine Eltern, die wissen, was für ein großer Erfolg das für sie ist, staunten nicht schlecht. Und das alles, obwohl ich quasi nie mit ihr diese spezielle Situation übte. Sie hatte in anderen Momenten gelernt sich außerhalb ihres zu Hauses zu entspannen und Umgebungsreize auszublenden. Und damit ist es für sie auch egal, ob das auf dem Campingplatz ist, oder im Restaurant.
Vermutlich wäre der Grad an Entspannung, den Alma in den letzten paar Jahren erreicht hat, ohne unseren aktuellen Lebensstil nicht möglich gewesen. Zumindest hätten wir irgendwo eine Fläche gebraucht, auf der sie am Stück in gefühlter Sicherheit hätte üben können, wie zum Beispiel einen Garten. In unserer früheren normalen Wohnung, hätten sie vermutlich schlichtweg nicht genug ungestörte draußen Zeit auf ihrem Erfahrungskonto sammeln können, die sie gebraucht hat. Hier schließt sich der Kreis zu den Straßenhunden am Anfang des Artikels, es braucht Zeit bis das Gehirn Reize als ungefährlich einstuft, damit so tiefe Entspannung möglich ist. Ich bin gespannt, wohin unsere Reise noch geht.
Wenn du auch eurer Reise zu gelassenen Draußen-Zeiten einen Schubs geben möchtest, dann liest du im nächsten Artikel weiter. Darin habe ich dir aufgeschrieben wie du deinen Hund konkret unterstützen kannst.