Wie lernt mein Hund sich draußen hinzulegen und richtig abzuschalten?

In diesem Artikel möchte ich dir einen Rundumblick geben, was nötig ist, damit ein Hund sich auch draußen völlig entspannen kann, wenn ihm das aktuell noch schwerfällt. Es geht hier vor allem um die Form von Entspannung, die man mit absolut entspannten Hunden verbindet.
Also: Ein Hund, der sich:

  • im eigenen Garten,
  • bei Pausen auf dem Spaziergang,
  • beim Besuch im Biergarten
  • oder auf dem Campingplatz

entspannt draußen aufhalten kann und sogar liegen und dösen kann, weil er sich so sicher und rundum wohl fühlt.

In meiner Logik ist das ein Punkt, der getrennt von ruhigen und gelassenen Spaziergängen zu betrachten ist. Auch wenn ruhige Spaziergänge zum Teil eine Voraussetzung sein können. In diesem Artikel geht es also nicht primär um ruhige Spaziergänge, Training von Hundebegegnungen oder anderen Schwierigkeiten, die euch draußen so begegnen können. Sondern eher um den Schritt danach. Und trotzdem wirst du hier auch Links zu anderen Blogartikeln, Videos und Produkten finden, die dich in diesen Themen weiterbringen können.

Als „Vorwort“ zu diesem gibt es einen weiteren Artikel, in dem ich erkläre, warum es so schwer ist draußen wirklich zu entspannen. Und du erfährst wie Almas Entwicklung in diesem Bereich über die Jahre unseres gemeinsamen Lebens verlaufen ist. Es lohnt sich, „Warum draußen entspannen so schwer ist“ ebenfalls – bestenfalls zuerst – zu lesen.

Schritt für Schritt zum draußen Abhängen

Nicht alle der Punkte werden für jeden Hund zutreffen und gleichwertigen Einfluss auf das Entspannungslevel haben. Der eine Hund hat Herausforderungen mit ganz bestimmten Außenreizen. Der Nächste ist eher grundsätzlich draußen aufgeregt. Ein dritter braucht bei beiden Themen Unterstützung.

Auch die Lebenssituation und die äußeren Umstände unterscheiden sich für jeden Hund und Menschen stark. Wohne ich in einer Wohnung im Mehrfamilienhaus und habe im Umkreis keine Möglichkeit eine stabile ruhige Übungsumgebung zu schaffen, bin ich darauf angewiesen, Zeiten zu nutzen, wenn sie sich bieten. Wenn ich ein Haus mit Garten habe, dann habe ich viel öfter und nachhaltiger die Möglichkeit bewusst zu trainieren, um zumindest die Gartenumgebung für den Hund super entspannt zu besetzen. Mit dieser Basis wird es wahrscheinlich leichter fallen, die nützlichen Hilfsmittel wie etwa aufgebaute Signale oder Rituale auch in andere Umgebungen zu übertragen.

So wirst du mit deinem Hund ganz anderen Möglichkeiten und Voraussetzungen starten, als jeder andere Leser hier. Daher nimm dir die Ideen und Gedanken heraus, die für euch passend erscheinen. Probier aus, was euch helfen könnte und verwirf, was sich als unpassend für euch herausstellt.

Grundvoraussetzungen für tiefe Entspannung draußen

Die meisten Hindernisse und das größte Spielfeld, an dem man für die tiefe Entspannung wirklich aktiv werden kann, sind die Themen, die deinen Hund im Moment noch daran hindern, sich sicher und wohl zu fühlen. Außerdem braucht es die passende innere Stimmung für Entspannung. Wie ich das meine, erkläre ich gleich noch.

Lass uns jetzt einmal schauen, welche Dinge ich als Grundvoraussetzung dafür empfinde, dass es überhaupt möglich wird, sich dem Ziel „richtig abschalten können“ zu widmen.

Entspannte Spaziergänge

Wenn wir möchten, dass unser Hund sich an Orten, die sich außerhalb seines „zu Hauses“ befinden, wirklich entspannen kann, dann braucht es im allerersten Schritt die Fähigkeit sich an diesen Orten ruhig aufzuhalten. Solche Orte können zum Beispiel sein: Pausen auf einer Wiese auf dem Spaziergang, beim Abhängen im Park, beim Besuch im Biergarten, auf dem Campingplatz und ähnliches.
Mit „ruhig aufhalten“ meine ich in dem Fall: Langsam in Bewegung sein. Überlegt handeln und in Kontakt mit sich und der Umwelt stehen.

Das Gegenteil ist ein Hund, der aktuell draußen sein mit Aktion, hoher Geschwindigkeit, Spiel, Training und co. verbindet.

Kurz: Dein Hund muss zuerst wissen, wie er sich auf Level 1 entspannen kann, bevor du Level 10 von ihm erwartest.

Ein Beispiel aus der Menschenwelt

Angenommen du bist regelmäßig im Fitness-Studio und hast hohe Ambitionen dich auf einen Wettkampf vorzubereiten. Monatelang oder sogar über Jahre hinweg versetzt du dich im Fitnessstudio in hohe Anspannung. Du gibst dein Bestes, trainierst bis an deine Grenzen und verschiebst sie nach und nach, um immer besser zu werden. Das Studio ist für dich mit Adrenalin und hoher körperlicher Anspannung belegt. Zum Entspannen gehst du nach Hause. Und dann kommst du eines Tages im Fitnessstudio an und jemand erklärt dir, dass du bitte zwischen deinen Hochleistungsworkouts eine Naturdokumentation schauen sollst. Und du sollst natürlich die Zeit absolut genießen. Bitte auf keinen Fall Rumzappeln. Endlich mal richtig Pause machen. Meinst du das klappt? Ich glaube, es wird echt schwer.

Anders sieht es aus, wenn das Fitnessstudio auch einen Wellnessbereich hat, den du ab und an schon besucht hast. Oder Yoga-Kurse anbietet, an denen du schon teilgenommen hast. Oder eine Lounge Ecke am Ausgang hat, an der du nach dem Training schon oft richtig schöne Abende mit tiefen Gesprächen und guten Freunden verbracht hast. Dann wird es dir vermutlich wesentlich leichter fallen, dich in dem Umfeld zu entspannen.

Lernen: „Draußen sein“ kann Entspannung und Anspannung beinhalten

Genau das braucht auch dein Hund. Wenn es aktuell noch „Aktion Modus an“ bedeutet, wenn ihr zur Haustür rausgeht, dann ist der erste Schritt zu super tiefer Entspannung, dass dein Hund lernt ruhige Spaziergänge zu erleben und genießen. Dass er mit allen Sinnen seine Umgebung wahrnimmt. Dass er zwischen Anspannung und Entspannung wechseln kann, ohne das „Langsamkeit“ ihm Impulskontrolle abverlangt.

Wie du das erreichen kannst? Dazu habe ich schon einige Inhalte veröffentlicht, von denen ich dir hier jetzt einige verlinke:

Entspannter Spaziergang mit Hund (4 teilige Blogserie): Teil 1 – Trödeln, Teil 2 – Ruheinseln (kommt auch gleich intensiv hier vor), Teil 3 – über Stock und Stein, Teil 4 – Freilauf in Etappen.

Ruhe fördern – Spaziergänge gestalten.

Einige Tipps zur Gestaltung ruhiger Spaziergänge, die in den Blogartikeln nicht vorkommen, findest du auch in meinem Buch „Hund im Stress“.

Pausen genießen können

Die nächste Grundvoraussetzung zu richtig tiefer Entspannung ist, dass dein Hund sich draußen an einem Ort länger aufhalten kann und diese Zeit zur Erholung nutzt. Das kann der eigene Garten sein und auch auf dem Spaziergang stattfinden. Je nachdem, wie du das später in eurem Alltag brauchst.

Was dabei wichtig ist und wie du nach und nach solche Pausen und Entspannungszeiten draußen in euren Ablauf holst, möchte ich dir jetzt erzählen.

Um deinem Hund beizubringen, wie er sich draußen ruhig aufhalten kann, sind von euch definierte Ruheorte hilfreich. Ruhig meint: ohne „Strecke machen“, Training oder geforderte Konzentration. Solche Ruheorte, die dein Hund auf dem Spaziergang mit Pause und Entspannung verbindet, nenne ich Ruheinsel. Es meint einen Ort, an dem ihr eine Pause einlegt und dein Hund Zeit hat zur Ruhe zu kommen. Er kann die vorher gesammelten Reize zu verarbeiten und für einen Moment die Konzentration und Anspannung des vorherigen Wegabschnittes loszulassen. Solche Inseln können „Orte für kurze Verschnaufpausen“ sein, oder eben die Bank, an der ihr eine lange Ruhepause einlegt.

Ruheinsel im „Kleinen“

Lass uns zunächst einmal schauen, wie du mit festen Orten für kleine Verschnaufpausen mehr Ruhe in euren Spaziergang bekommen kannst.

Viele kleine Inseln erschaffen

Stell dir eine eurer üblichen Gassirunden vor. Such auf eurem Weg nach markanten Punkten, die sich gut für eine kurze Verschnaufpause eignen. Das kann die Rasenfläche an der Straßenecke sein, ein Baum, eine kleine Wiese hinter der Bushaltestelle, und viele mehr.

Die Abstände zwischen den Ruheinseln können variieren und passen sich dem an, was dein Hund braucht und was die Umgebung hergibt. Je nachdem wie stark dein Hund aktuell von eurem Spaziergang gefordert ist, wie viele Reize in eurer Umgebung sind und was deinem Hund gut tut. Für den einen Hund braucht es alle paar Meter eine solche Insel. Andere kommen mit allen paar hundert Meter super klar.

So nutzt du die Inseln auf eurem Spaziergang zur Entspannung

Auf dem „normalen“ Weg forderst du all das, was bei euch eben zum Spaziergang an der Leine dazugehört. Könnte zum Beispiel sein: gehen an lockerer Leine, Konzentration auf dich, mit dir mitlaufen, ohne stehenzubleiben (das heißt nicht unbedingt „Fuß gehen“), usw. Erreicht ihr eine Ruheinsel bleibt ihr dort stehen, dein Hund kann in aller Ruhe schnüffeln, sich die Gegend anschauen, durchatmen, markieren.

Je mehr Sinne er hier in den Einsatz bringt und sich wieder mit der Umwelt verbindet, umso besser. Ist dein Hund gestresst und aktuell zum Beispiel sehr auf sehen und hören fixiert, die Nase kommt aber kaum zum Einsatz, könntest du hier auch ein paar Leckerchen in die Wiese streuen, die er suchen kann, oder andere ruhige Suchspiele einbauenm die ihn anregen, seine Nase wieder zu aktivieren. Die Suchspiele sollten möglichst ohne weitere Signale oder zusätzlich geforderte Impulskontrolle auskommen. Warten lassen und dann erst holen, wäre hier für den Zweck der Ruheinsel eher ungeeignet. Hast du das Gefühl dein Hund ist irgendwie „außer sich“ und nimmt sich und seinen Körper nicht wirklich wahr, könnte eine mini Massage/ Abstreichen helfen, oder der Ort ermöglicht einige ruhige „Kletterübungen“ (wie zB in diesem Artikel beschrieben).

Welchen Effekt haben die Ruheinseln?

Ihr geht weiter, sobald du das Gefühl hast, dein Hund ist bereit dafür. Oft erkennst du das daran, dass er tiefer und ruhiger atmet als vorher oder wieder mit dir in Verbindung treten kann, weil das „Außen“ jetzt verarbeitet ist. Schau dir deinen Hund an und versuche dein Bauchgefühl entscheiden zu lassen, wann für deinen Hund der passende Zeitpunkt ist. Das kann je nach Tagesform, Uhrzeit und Verlauf des Spaziergangs verschieden lange dauern. Hattet ihr gerade eine Hundebegegnung, die für deinen Hund noch anstrengend ist, dann braucht er wahrscheinlich längere Verschnaufpause, als wenn ihr sonntagmorgens noch niemanden getroffen habt.

So startest du mit der „Nutzung“ eurer Inseln

Wenn ihr diese kleinen Ruheinseln gerade erst aufbaut, dann versuche den Übergang von Weg zu Insel ganz eindeutig zu machen. Laufe los und fordere laufen an lockerer Leine und kommuniziere ganz eindeutig, was du möchtest. Kommt ihr an der Ruheinsel an, entspannst du deine Körper ganz bewusst, atmest selbst ganz bewusst ruhig und tief und lässt die Leine locker. Sollte dein Hund aktuell von zu langen Bewegungspausen noch gestresst sein, halte die Zeit auf der Insel so, dass dein Hund kurz durchschnaufen kann, aber nicht in Unruhe kommt. Hilf ihm eventuell über Nasensuche oder ähnliches etwas zu entspannen. Wahrscheinlich wird es ein paar Wiederholungen benötigen, bis du erkennen kannst, das dein Hund das Prinzip der Inseln verstanden hat. Gib euch Raum, diese neue Möglichkeit zu entdecken. Halte an jeder Insel an, mache Pause und geh dann sortiert weiter.

Und dann wirst du bald merken, dass dein Hund nicht nur genau weiß, wo die Ruheinseln sind, sondern auch viel besser, konzentrierter und gelassener durch den Spaziergang kommt. Die Pausen ermöglichen ihm Reize zu verarbeiten, statt immer nur neue einzusammeln.

Ruheinsel als echte Pause

Ruheinseln als richtiger „Pause-Platz“ sind der nächste Schritt beim Entspannen lernen außerhalb des eigenen zu Hauses. Die Bank mit tollem Ausblick, oder einfach nur eine Waldlichtung, dasitzen dem Wind und den Vögeln lauschen, den Blick schweifen lassen, die Nase in den Wind halten. Das kann so schön sein!
Wenn ein Hund sich so in das Nichts-tun entspannen kann, ist das enorm schön und hilfreich, denn es ermöglicht ihm auch den Rest des Spaziergangs gelassener zu erleben. Und natürlich ist es auch für uns Menschen wesentlich angenehmer, wenn wir solche Zeiten einfach gemeinsam mit unserem Hund genießen können. Wenn der Hund von solchen Pausen eher gestresst ist, dann können auch wir die Zeit nicht gut nutzen und es ist immer irgendwie anstrengend.

Erfolgserlebnisse schaffen, statt einen straffen Trainingsplan durchziehen wollen

Suche dir für den Start Orte aus, die von der Reizintensität für deinen Hund einfach sind. Im Artikel „Warum draußen entspannen so schwer ist“ erzähle ich dir auch von Almas Entwicklung und du kannst erahnen, welche Schritte hier für eine Ruheinsel beispielsweise auftreten können. Achte darauf, was dein Hund braucht. Es geht darum Erfolgserlebnisse und ruhige Momente zu schaffen und nicht unbedingt „Ruhe trainieren“ zu wollen. Also den Schritt so einfach zu machen, dass dein Hund ihn gehen kann. Häufig wählen wir die Schritte zu groß. Wir wollen, dass der Hund ruhig neben uns sitzt und statt den Lernprozess in kleine machbare Schritte zu zerlegen, starten wir direkt mit dem Ziel. Setzen uns hin, sagen dem Hund er soll an Ort und Stelle bleiben und sitzen aus, wenn er vor lauter Unsicherheit was zu tun ist Frust entwickelt. Das geht dann meist nach hinten los. Denn wenn dein Hund in der Situation unruhiger wird als vorher, dann trainierst du jedes Mal die Unruhe statt die gewünschte Ruhe.

Brücken bauen und Entspannung unterstützen

Du kannst deinen Hund jedoch dabei unterstützen, sich zu entspannen. Baue ihm Brücken in Form von Ritualen oder Signalen, die er schon aus anderen sehr entspannten Momenten kennt. Möglicherweise habt ihr bereits eine Decke, auf der er gut zur Ruhe findet und die ihr in verschiedenen Momenten zur Entspannung nutzt. Vielleicht habt ihr ein Entspannungssignal, was ihm helfen kann. Vielleicht kennt er „wenn ich den Fuß auf die Leine stelle, kannst du dich hinlegen und beruhigen, hier passiert nichts spannendes“ als Signal. Falls ihr bereits solche Signale nutzt UND sie deinem Hund bei der Entspannung helfen, dann nimm sie auch in dieser neuen Situation zur Hilfe, damit dein Hund die neue Ruheinsel mit bereits bekannten Abläufen verknüpfen kann. Kennt dein Hund solche Dinge nicht, lohnt es sich eventuell eines vorher aufzubauen.

Überlege dir auch Zwischenschritte an die Anforderung, die du auf der Ruheinsel an das Verhalten deines Hundes stellst. Möglicherweise hat dein Hund aktuell noch gar keine Erfahrungen gesammelt, wie er außerhalb von zu Hause wirklich ruhig und gelassen irgendwo sitzen oder liegen kann. In dem Fall ist das wahrscheinlich für den ersten Schritt zu viel verlangt, dass er direkt bewegungslos an einer Stelle bleiben soll. Manchen Hunden hilft es, wenn sie sich um dich herum mit ruhigen Beschäftigungen selbst beruhigen können. Dein Hund könnte ausgiebig schnüffeln, an etwas kauen, manche Hunde können sogar buddeln, ohne hektischer zu werden. Vielleicht hilft es ihm, wenn du ihn massierst/festhältst und ihm über Körperkontakt Sicherheit und Ruhe gibst. Ich bin ganz sicher, dass du schon weißt, welche Dinge deinem Hund beim Entspannen helfen. Diese nimmst du mit in die neue Situation. Und wenn du sie noch nicht kennst, dann probierst du einfach nach und nach aus.

Und ja: Es gibt auch Hundetypen, die total froh sind, wenn der Mensch einfach entscheidet, dass sie jetzt dort liegen sollen und konsequent (aber nicht unfair) die Aufgabe immer wiederholen und einfordern. Diese Hunde können nach ein paar Minuten auch gedanklich abschalten und sagen „na gut, dann sind wir halt hier.“ Und das wirklich entspannt und nicht in „erlernter Hilflosigkeit“, weil sie Strafe fürchten, sobald sie sich mit der Umwelt beschäftigen. Ich vermute, dass Menschen die so einen Typ Hund haben, keinen Bedarf haben diesen Blogartikel zu lesen. Daher sind die meisten Tipps hier, für Hunde, die sich noch nicht selbst beruhigen können. Hunde, die eine einfache Ansage ohne Hilfe bei der Umsetzung eher überfordern und frustrieren würde, was genau das Gegenteil von dem bewirken würde, was man eigentlich erreichen wollte.

Es kann also sein, dass eure ersten Versuche draußen auf einer Ruheinsel einfach nichts zu tun so aussehen: Völlige Ruhe mitten in der Natur, Hund erkundet die Umwelt um die herum, du bietest etwas zum Kauen oder eine Massage an. Die Dauer ist ein Balanceakt zwischen: Dem Hund Zeit geben sich an die Situation zu gewöhnen und sich einzufühlen. Und: Einen Endzeitpunkt abzupassen, bevor dein Hund wieder hektischer wird. Faustregel: Wenn dein Hund im Laufe der Übung immer ruhiger wird, bist du auf dem richtigen Weg. Wird er im Verlauf der Zeit unruhiger, probiere etwas anderes aus. Nimm die guten Tage zur Übung. Schaffe euch Erfolgserlebnisse, statt beinharte Trainingssituationen. Entspannung trainieren funktioniert nicht, wenn man krampfhaft ein Ziel erreichen will.

Lass dich selbst auf die Ruhe ein

Stell dir vor, du sitzt mit einem Freund oder deinem Partner am Strand oder meinetwegen auf einem Berg. Ihr schaut in die Ferne. Eigentlich ist ruhig sitzen nicht so deins, von den letzten Arbeitsmonaten bist du noch ziemlich aufgepusht. Du gibst dich der Situation trotzdem hin und möchtest den Ausblick genießen. Dein Freund, der insgeheim glaubt, dass du niemals irgendwo ruhig sitzen können wirst, schaut dich immer wieder erwartungsvoll aus dem Augenwinkel an. Er zappelt selbst und verlagert sein Gewicht immer wieder von einer Seite zur Anderen. „Na, bist du schon entspannt?“, fragt er. Also… Ich wüsste, wie meine Antwort ausfällt.

Ähnlich geht es auch deinem Hund. Wenn du unbedingt willst, dass das mit der Ruhe jetzt funktioniert, ist das wahrscheinlich schon ein Punkt, der es euch schwerer macht. „Wir fahren bald in den Urlaub“, „Der Sommer kommt, da gehen wir oft in den Biergarten“, sind dann häufig Aussagen, die Hundehalter mir gegenüber äußern. Wenn man Entspannung nach einem Zeitplan trainieren will, wird das genauso wenig funktionieren, wie ein 2-tägiger Aufenthalt im Wellness-Hotel, den man unbedingt mit allen Programmpunkten ausnutzen will, damit man endlich mal richtig entspannen kann.

Sieh Entspannungstraining als wundervolle Möglichkeit für euch gemeinsam Zeit zu verbringen. Wenn es dir schwerfällt, selbst einfach nur da zu sitzen, dann nimm ein Buch mit, schau Youtube-Videos oder mach Musik an. Meistens funktioniert es ganz gut, wenn man sich selber ruhig auf irgendeine Sache konzentriert, die einen gut entspannen lässt. So schafft man eine Stimmung an der der Hund sich anlehnen kann, ohne ihn dauernd im Auge zu haben und darauf zu warten, ob er denn wohl jetzt schon ein wenig entspannter ist, als eine Sekunde vorher.

Der eigene Garten als Ruheinsel

Möglicherweise fällt es deinem Hund leichter sich im Garten zu entspannen, als unterwegs. Oder genau anders herum. Es gibt beide Varianten. Du startest mit der Umgebung, in der es deinem Hund leichter fällt. Im eigenen Garten gehst du genauso vor, wie ich für Ruheinseln draußen beschrieben habe.

Wenn ihr aktuell auch im Garten spielt und trainiert und dein Hund diesen Teil eures zu Hauses eher mit aufregenden Aktivitäten verbindet, dann trenne den Garten in verschiedenen Bereiche. Einen Teil für Spiel und Training und einen in dem ab jetzt explizit Entspannung stattfindet. Es braucht keine physische/optische Trennung dafür. Es reicht völlig, dass du gedanklich unterscheidest und sich alle Familienmitglieder daran halten. Zur Entspannung eignen sich natürlich auch hier wieder die Ecken besonders, die ruhig liegen. Ein Bereich der nicht von allen Seiten einsehbar ist, oder von wo aus man nicht jeden vorbeigehenden Spaziergänger oder Nachbarn sehen kann.

Da du hier natürlich viel besser auch mit Hilfsmitteln arbeiten kannst, hilft dir vielleicht auch dieser Artikel zur Ruhezone weiter.

Je nach Lage eures Gartens und der Umgebung kann es sein, dass die Reize außerhalb des Zauns (vorbeigehende Hunde/ Menschen) für deinen Hund ungleich schwieriger auszuhalten sind, als wenn ihr spazieren geht. Dann wird das Training an den Stressauslösern seinen eigenen Teil zur Entspannung beitragen. Darum geht es im nächsten Abschnitt.

Übliche Stressreize trainieren

Wenn dein Hund ganz klare Auslöser hat, die ihn aus seiner Entspannung bringen, dann gehört zu den Grundvoraussetzungen für richtig tiefe Entspannung auch, dass er lernt diese Auslöser entspannter wahrzunehmen. Egal ob es Hundebegegnungen sind, Reaktion auf bestimmte Geräusche, Fahrradfahrer, Spaziergänger, Autos – ganz egal. Wenn in der Umgebung in der ihr gerade seid, diese Auslöser auftreten könnten, wird dein Hund immer ein Stück weit auf „Hab acht“ bleiben und nicht wirklich abschalten können.

Entspannung vorbereiten und vorhandene Stressreize trainieren verlaufen zu Beginn immer getrennt voneinander. Das bedeutet: Wenn dein Hund mit Hundebegegnungen Probleme hat, dann ist ein Ort an dem alle paar Minuten Hunde vorbeikommen, kein geeigneter Ort um eine Ruheinsel aufzubauen. Wenn du rausgehst, um Hundebegegnungen zu trainieren, dann erwarte nicht gleichzeitig völlige Gelassenheit von deinem Hund und dir.

Es gibt auch Hunde, die beim normalen Spaziergang völlig gelassen mit Begegnungen oder Umweltgeräuschen sind und dann plötzlich reagieren, wenn sie sich länger an einem Ort aufhalten. Dann wirst du vielleicht feststellen, dass dein Hund erst mit fortschreitender Ruheübung auf Geräusche oder anderes reagiert. Hier ist natürlich dann Training in der Situation gefragt. Aber auch hier: Du gehst dann an einen Ort, um dort länger zu bleiben und die entspannte Reaktion auf Reize zu trainieren. Oder du gehst an einen Ort, an dem die Wahrscheinlichkeit solcher auslösenden Reize gering ist, um weiter an der Entspannung zu „üben“.

Alma zum Beispiel hat beim Spaziergang weder mit Menschen noch Hunden ein Problem. Höchstens mal ein lautes Schlüsselklimpern lässt sie auch beim Spazierengehen angespannter werden. Haben wir es uns an einem Ort gemütlich gemacht, wurden vorbeigehende Menschen und Hunde jedoch sehr argwöhnisch betrachtet. Waren wir an einem Ort, den sie eine Zeitlang als ruhig kennengelernt hatte und plötzlich war ein neues Geräusch zu hören, hat sie früher zuverlässig gebellt. Heute geht das – wenn sie grundsätzlich entspannt ist – in den allermeisten Fällen ohne große Aufregung. Dadurch ist sie wesentlich weniger in der Erwartungshaltung von „da könnte ja was kommen“ und kann heute sogar ein kleines Schläfchen draußen halten.

Trainiert habe ich alle von Almas „Reizthemen“ mit demselben Prinzip, dass ich in meinem Buch „Abenteuer Hundebegegnungen“ zum Training von entspannten Hundebegegnungen trainieren.

Wenn ihr also solche Themen habt, dann empfehle ich das Buch, auch wenn es nicht unbedingt Hundebegegnungen sind, die euch Probleme machen.

Von: entspannt draußen – zu: richtig abschalten können

Okay, wow – Respekt fürs Durchhalten bis hierher! Das war ganz schön viel. Ich weiß! Und ich weiß – aus eigener jahrelanger Erfahrung mit Alma, dass es keineswegs leicht oder selbstverständlich ist, die Grundvoraussetzungen für tiefe Entspannung zu schaffen. Sie gehören dennoch dazu, damit dein Hund draußen richtig Abschalten lernt. Doch ich kann dir sagen, allein der Weg lohnt sich. Alma hat erst in diesem Jahr im Alter von 12 Jahren gelernt draußen zu dösen. Und doch habe ich die Zeit mit ihr schon viele Jahre auch draußen als sehr entspannend erlebt und genossen.

Lass uns jetzt im letzten Teil des Artikels noch einen Blick in diesen letzten Entwicklungsschritt werfen, der den Unterschied macht zwischen: gemütlich draußen sein und: richtig tief abschalten können.

Die passende Umgebung finden/ schaffen

Du merkst wahrscheinlich schon im Verlaufe des Artikels. Je mehr die Entwicklung in Richtung Entspannung geht und je größer der Fokus auf der inneren Haltung des Hundes liegt, desto weniger kannst du deinem Hund aktiv helfen. Bei Stressreizen ist es noch sehr konkret, du kannst aktiv neues Verhalten mit deinem Hund üben. Da hat man was Handfestes, an dem man aktiv werden kann. Auch kleine Ruheinseln sind noch sehr klar und einfach in den Alltag zu bringen. Aber sobald es nicht mehr auf das Verhalten, sondern auf das innere Erleben deines Hundes und seine Bereitschaft die Anspannung loszulassen ankommt, ist „aktiv werden“ nur noch schwer möglich. Du kannst deinen Hund nicht entspannen. Das kann er nur selbst. Du kannst die Rahmenbedingungen schaffen, damit dein Hund es möglichst einfach hat. Aber du kannst ihn nicht dazu bringen, zu völlig abzuschalten. Genauso wenig wie Gras, wächst innere Ruhe, wenn man daran zieht.

Wenn die Grundvoraussetzungen stimmen, dann kennst du schon sehr genau welche Rahmenbedingungen dein Hund braucht, um zur Ruhe zu kommen. Du weißt welche Umgebung für ihn einfach ist und wo es schwieriger wird. Ihr habt bestimmt schon ein paar Rituale und Signale, die auch unterbewusst bei der Entspannung unterstützen.

Jetzt geht es darum, genau diese Elemente zusammenzubringen und den passenden Rahmen zu schaffen, in dem dein Hund lernen kann und sich längere Phasen aufhalten kann.

An Almas Beispiel aus diesem Jahr:

Als wir auf dem Campingplatz „eingezogen“ sind und mir klar war, dass wir dort die nächsten Wochen verbringen, habe ich bei der Auswahl des Stellplatzes insbesondere darauf geachtet, dass er für Almas Bedürfnisse gut geeignet war. Er war in einer Ecke des Platzes, die wahrscheinlich nur wenige Urlauber für sich ausgesucht hätten. Doch ich wollte es möglichst ruhig (gut, dass ich da sehr ähnlich ticke, wie mein Hund).

Unser Stellplatz hatte hinter sich ein kleines Waldstück und lag am Ende einer Reihe, die in einer Sackgasse endete. Nachbarn wären also theoretisch nur vor uns und rechts von uns möglich gewesen. Hinter uns und links war alles still. Da der Campingplatz recht groß ist und ich wusste, dass selbst in der Hochsaison nicht alles voll sein würde, war die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt direkte Nachbarn bekommen recht klein. Meinen Van stellte ich so, dass er als Sichtschutz zum Weg hin diente, der Rest des Platzes war mit Hecken umrandet. So hatten wir unseren eigenen kleinen Garten, der relativ gut abgeschirmt war.

Übungsphasen nutzen, wenn sie sich anbieten

Stimmen die Rahmenbedingungen, dann braucht es vor allem eins: Zeit.

Dein Hund braucht Zeit, um auszuprobieren und entspannte Erfahrungen zu sammeln. Hier geht es schlichtweg um die Masse an guten Erfahrungen, die am Ende den Erfolg bringen. Wenn du dich an meine Beschreibung aus dem vorherigen Artikel erinnerst, in dem ich erzähle, warum Straßenhunden und Hunden von Obdachlosen draußen schlafen so leicht fällt, dann geht es jetzt darum, genau diesen Erfahrungsvorteil auch für deinen Hund zu schaffen.

Biete deinem Hund also immer wieder die Gelegenheit mit dir gemeinsam draußen an einem Ort, an dem er sich absolut sicher fühlt aufzuhalten. Hängt gemeinsam ab. Vielleicht legt er sich irgendwann von allein hin und schaut in die Gegend oder schließt die Augen und schnüffelt bedächtig. Je öfter und länger er absolut entspannte Zeit draußen erlebt, desto wahrscheinlicher wird es, dass er auch ganz die Augen schließt und wegdöst.

Wichtig dabei ist: Erzwinge es nicht. Lass es sich entwickeln und geschehen. Und nutze die Momente, die sich anbieten und lass andere vorbeiziehen, wenn sie nicht hilfreich für euch sind.

Almas Beispiel

Bei unserem Aufenthalt auf dem Campingplatz hat es sicher 3 Wochen gedauert bis Alma das erste Mal richtig entspannt die Sonne genossen hat, ohne die Ohren „auf Empfang“ zu haben. In diesen 3 Wochen haben wir uns meist mehrmals am Tag für 20-60 Minuten (für länger war es noch zu kalt) in unserem kleinen Bereich aufgehalten haben. Grundsätzlich verlagert sich das Leben sowieso mehr nach draußen, wenn man mit dem Camper unterwegs ist, was natürlich auch zu den Erfahrungen beiträgt. Wäre diese Zeit voll von Reizen und Aufregern gewesen, hätte es Alma nicht bei der Entspannung geholfen, sondern eher das Gegenteil bewirkt. Deswegen hat sie in Phasen, wenn es plötzlich voller auf dem Platz wurde (Wochenende oder Ferien) erstmal auch wieder Zeit drinnen verbracht. Selbst bei windigerem Wetter war sie angespannter und wir haben das Draußensein nicht groß ausgedehnt. Doch je mehr Entspannungserfahrungen sie draußen gemacht hat, desto lauter und trubeliger konnte es auf dem Platz werden, ohne dass Alma das gestört hat.

Daher: Nutze die Phasen, in denen es gut läuft, um deinem Hund entspannte „Draußen-Erfahrungen“ sammeln zu lassen. Und wenn es grade mal nicht passt – egal ob die Tagesform, die äußeren Umstände oder deine aktuelle Anspannung dagegensprechen – dann verschiebe das Sammeln der entspannten Erfahrungen auf ein andern Mal.

Alma hat den Sprung von „draußen gemütlich sein“ zu „draußen schlafen können“ in diesem Jahr gemacht. Das aber auch nur, weil wir im Camper leben und daher jeder Tag für uns ein Tag mit „Erfahrungssammlung“ in diesem Bereich war. Fährst du für 3 Wochen in den Urlaub, hast einen Schrebergarten in dem ihr meist am Wochenende seid, oder hast aus anderen Gründen „nur“ eingeschränkt die Möglichkeit den Rahmen für solche Erfahrungen zu bieten, dann dauert die Entwicklung entsprechend länger.

Was konntest du für dich mitnehmen?

Ich hoffe, dass du aus diesen beiden Artikeln einiges für dich mitnehmen konntest. Vielleicht was hiervon:

  • Eine Idee davon, wie sich tiefe Entspannung entwickeln kann.
  • Wissen darüber, warum das für die meisten Familienhunde echt schwer ist.
  • Ein Bild, wie der Verlauf aussehen könnte.
  • Ansatzpunkte, was du mit deinem Hund in eurem Alltag integrieren kannst, um draußen für mehr Entspannung zu sorgen.
  • Einen Aha Effekt, an welchem Punkt es bei deinem Hund noch hängt.
  • Gelassenheit, weil du weißt, dass es normal ist, wenn es mal wieder schlechter läuft als vorher.
  • Angepasste Erwartungshaltung für „bis dahin muss das aber klappen“, die Druck für dich und den Hund rausnimmt.

Danke, dass du bis hierhin durchgehalten hast! Wenn du das geschafft hast, dann hast du auch den langen Atem deinen Hund auf dieser Entwicklungsreise zu begleiten.