Die Vorfreude ist groß, die Sachen gepackt, alle Familienmitglieder freuen sich schon seit Wochen auf den bevorstehenden Urlaub.
Endlich geht es auf große Fahrt, dem Alltag entfliehen, neuen Eindrücke sammeln, spannende Abenteuer erleben und sich dem Fluss des Urlaubs anpassen.
Und dann – die Vollkatastrophe: Schon bevor es überhaupt losgeht, wird der Hund total unruhig, er bekommt ja mit, was da läuft. Während der gesamten Fahrt sitzt er hechelnd und fiepend im Auto, die Nerven liegen blank. Die Vorfreude wird schon etwas getrübt.
„Wenn wir erstmal da sind“, denkst du „dann wird er sich beruhigen“. Aber leider war die stressige Fahrt nur der Anfang. Auch in eurer Unterkunft kann der Hund nicht abschalten. Ständig läuft er durch die Gegend, rennt aufgeregt hin und her, bellt wegen jedem Geräusch und ist für dich überhaupt nicht mehr erreichbar. Nichts scheint zu helfen und das Gehirn scheint er auch zu Hause vergessen zu haben.
Eigentlich dachtest du es kann nicht mehr schlimmer werden, aber über die Zeit steigert sich das Verhalten deines Hundes immer weiter. Auch alte Probleme, die ihr zu Hause schon längst im Griff habt, kommen wieder hoch. Du kannst den Urlaub nicht wirklich genießen, streichst einige Ausflüge, weil du wirklich keine Lust hast, den Hund dahin mitzunehmen und reist einige Tage früher wieder ab.
Was zur Erholung und zum Krafttanken gedacht war, ist in puren Stress für die gesamte Familie ausgeartet. So ein Mist!
Völlig übertriebene Darstellung? Leider nicht für viele Hundehalter nicht – genau das habe ich selbst schon erlebt und einige meiner Kunden sind genau deswegen zu mir gekommen.
Alma und ich – unser Weg zu „4 Wochen quer durch Deutschland mit richtig guter Laune und Entspannung“
In den vergangen drei Jahren, die ich Alma kenne, haben wir mehrere Urlaubsanläufe gemeinsam unternommen. Die ersten waren noch katastrophal und frustrierend, aber mit jedem weiteren Versuch wurde es besser. Bis wir schlussendlich im letzten November (2018) das Wagnis auf uns genommen haben und ganze vier Wochen quer durch Deutschland gefahren sind. Nur wir zwei, an vier verschiedenen Orten. Und was soll ich sagen? … Es war TRAUMHAFT. Wir hatten einen richtig, richtig schönen Urlaub. Alle Ausflüge, die ich gemeinsam mit Alma geplant hatte, konnten wir gemeinsam genießen. Alle Besuche bei Freunden und Familie, die ich mir gewünscht hatte, wurden in die Tat umgesetzt.
Alma war nicht immer völlig tiefenentspannt, hat es aber immer wieder geschafft nach aufregenden Momenten zur Ruhe zu kommen!
Ich war stolz und glücklich und auch erleichtert. Denn hätte sich zu irgendeinem Zeitpunkt herausgestellt, dass sie das nicht schafft und es ihr nur noch Stress bereitet, dann wären wir wieder nach Hause gefahren.
So jedoch, haben wir gemeinsam fast 3.000 Kilometer im Auto verbracht, die Alma in der meisten Zeit gemütlich geschlummert hat. Konnten gemeinsame Abenteuer erleben (Schafe auf dem Deich – ich glaube, dass hatte sie vorher nie gesehen) und dann in unserem Ferienhäuschen abends wieder vor dem Kamin kuscheln und all die spannenden Eindrücke wurden träumend verarbeitet.
Wie wir diese Veränderung gemeinsam geschafft haben, darum soll es in diesem Artikel gehen.
Entspannungstraining ist kein Sprint – sondern ein Marathon
Als ich mit Alma in den ersten Urlaub gefahren bin, kannte ich sie noch nicht so lange und ihr allgemeines Stresslevel war so hoch, dass rückblickend betrachtet, ein Urlaub nur schiefgehen konnte.
Über die kommenden zwei Jahre hinweg haben wir immer weiter an der Entspannung gearbeitet (was alles dazugehört, dazu später mehr). Zunächst sind wir nicht mehr über längere Zeit weggefahren, sondern ich habe mich auf Wochendtrips zu meinen Eltern beschränkt, oder Alma gut untergebracht, wenn ich selber über mehrere Tage weg war.
Mit jedem Mal, wurden unsere Touren entspannter.
Die Autofahrten wurden von mal zu mal besser, bis zum jetzigen Stand: Einsteigen in die Reisebox, hinlegen, Augen zu und aufwachen wenn wir da sind. Auch vor Ort hat sie gelernt immer mehr runterzufahren. Zu schlafen – auch bei unbekannten Geräuschen und die Abläufe, die so anders sind als zu Hause, nicht mehr so furchtbar nervenaufreibend zu finden.
Das eigentliche Training an der Entspannung fand nicht in unseren Urlauben statt, sondern im Alltag. Der Schlüssel für einen entspannten Urlaub ist ein entspannter Alltag und ein allgemein niedriges Stresslevel des Hundes.
Das erreichst du nicht über irgendwelche Zaubermittel, oder tolle Tipps und Tricks die du im Urlaub als Notfall-Maßnahme aus dem Hut zauberst, sondern über kontinuierliche Veränderung eures Alltags.
Und natürlich gibt es dann doch noch ein paar Tipps und Kniffe, wie du dir und deinem Hund im Urlaub das Leben leichter machen kannst. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, der eigentliche Teil der Veränderung, die Basis für die Entspannung in außergewöhnlichen Momenten, ist die Entspannung an Tagen wie jeder andere.
Mehrere Bausteine ergeben ein gutes Fundament für einen entspannten Hund
Im Coaching mit meinen Kunden und deren Hunden – und natürlich auch aus eigener Erfahrung – weiß ich, dass die Entspannung langfristig aus der Kombination von verschiedenen Elementen besteht. Es gibt nicht, den einen großen Aha Effekt, das eine Etwas, das den Hund auf Knopfdruck entspannt. Für jeden Hund setzt sich das Puzzle aus unterschiedlichen Teilen zusammen und jedes dieser Teile hat eine andere Farbe. So, dass der Hund am Ende sowohl physisch, als auch mental gelassen sein kann.
Welche großen Suchbereiche es grundsätzlich gibt, das möchte ich dir jetzt erklären:
Tagesablauf für genügend Ruhe und Schlafphasen
Einer der wichtigsten Bausteine ist der Tagesablauf. So viel lässt sich darüber verändern! Unser heutiger Alltag ist für viele unserer Hunde schlichtweg stressig. Selten ist der Hund von sich aus so eine coole Socke, dass er dabei sein Schlafpensum von ca.18 Stunden am Tag auch erreicht. Sorgt man dafür, dass genügend Ruhephasen zur Verfügung stehen (und natürlich auch dafür, dass der Hund lernt, diese zu nutzen), wird der Hund schnell zeigen, wie gut ihm das tut.
Mehr darüber kannst du hier lesen: „Der natürliche Tagesablauf der Hunde„, „Warum dein Hund den ganzen Tag schlafen darf„
Spaziergänge und Beschäftigungen statt zur Adrenalin-Sammlung zur entspannten Auslastung nutzen
Höher, schneller, weiter – nur ein müder Hund ist ein glücklicher Hund?? – MÖÖÖÖP
Mit dem Tagesablauf kannst du dir so viel Mühe geben wie du möchtest, wenn eure Spaziergänge und andere Beschäftigungen immer in volle Aufregung ausarten, wird die Entspannung bei euch trotzdem nicht einziehen.
Der Trick sind vollwertige, langsame, alle Sinne fordernde Beschäftigungen und Spaziergänge, die das Adrenalin im Hundekörper nicht so ansteigen lassen, wie Ballspielen und wilde Wettrennen.
Tipps zu entspannten Spaziergängen, bekommst du in meinem Buch „Hund im Stress“.
Gesundheit ist das A&O
Manchmal stecken hinter nervösem Verhalten auch schlichtweg körperliche Probleme. Egal ob es den Bewegungsapparat betrifft, oder hormonelle Erkranken, wie zB eine Schilddrüsenunterfunktion. Wenn du mit deinem Hund schon einiges ausprobiert hast, aber irgendwie nichts hilft und die Verhaltensprobleme bestehen bleiben, dann lohnt sich ein Checkup bei einem Tierarzt. Wichtig dabei, egal wie gut du deinen Tierarzt findest, such dir Spezialisten.
Mit Alma war ich bei 5 Tierärzten, die alle der Meinung waren, sie hätte keine Schilddrüsenunterfunktion. Allerdings wussten diese Tierärzte nicht mal, dass zur sauberen Diagnose mehr als zwei bis drei Werte gehören. Das ist auch nicht schlimm, man kann schließlich nicht der Experte auf jedem Gebiet sein. Beim letzten Blutbild, habe ich die Werte dann einem Spezialisten übermittelt, Alma bekam Medikamente um den Hormonhaushalt auszugleichen und war schon ab dem dritten Tag wie ausgewechselt. Deswegen – mit speziellen Problemen und speziellen Vermutungen – bitte direkt zum Spezialisten.
Ernährung – du bist was du isst
Auch die Ernährung spielt eine große Rolle für das Wohlbefinden deines Hundes. Ich bewege mich völlig jenseits der üblichen dogmatischen Meinungen, die da so kursieren. Für mich gibt es keine ideale Ernährungsform, die für alle Hunde passt. Dafür habe ich schon zu viel unterschiedliche Hunde erlebt, die alle mit anderen Futtermitteln glücklich waren.
Jedes Futtermittel hat auch eine Wirkung auf den Hund. Wenn ich mit der Ernährung bereits die drdei Redbull in den Hund reinkippe, kann ich mir das Entspannungstraining im Anschluss auch sparen. Ich halte mich hier bewusst mit Tipps zu Wirkungen verschiedener Bestandteile zurück, da das für jeden Hund unterschiedlich ist.
aktives (Entspannungs-)Training als Ruhe“beschleuniger“
Neben all diesen eher passiven Veränderungen mit großer Wirkung (Tagesablauf, Spaziergänge, Gesundheit, Ernährung) kann man Entspannung natürlich auch aktiv trainieren. Zum Beispiel der Aufbau einer Ruhezone und eines Entspannungssignals sind hier zu nennen.
In Kombination mit Massagen, bewussten Ruheübungen, Tellington-Touch, oder isometrischen Übungen, ist es möglich den Hund bei der Entspannung zu unterstützen.
Maßnahmen im Urlaub – der Werkzeugkasten darf zum Hund passen
Nachdem ich dir gerade die langfristigen Maßnahmen kurz vorgestellt habe (du erinnerst dich, dass ist er Teil des Eisbergs der unter der Wasseroberfläche ist) kommen wir zu einigen hilfreichen Dingen, die akute Hilfe im Urlaub sein können.
gut geplant, ist halb gewonnen
Wenn du weißt, dass dein Hund mit dem Reisen, bzw. nicht zu Hause sein, so seine Probleme hat, dann kannst du bereits im Vorfeld darauf achten, einige Stresspunkte zu minimieren.
Je nachdem welche Dinge Stress bereiten, kannst du versuchen, den Urlaub so anzupassen, dass er für alle Beteiligten schön wird.
Sollte Autofahren für deinen Hund ein großes Thema sein, könnte ein Familienmitglied mit dem Hund beispielsweise mit dem Zug anreisen (sofern das besser geht). Du könntest bei der Lage der Unterkunft darauf achten, dass es entspannter für deinen Hund ist. Zum Beispiel, dass es nicht mitten auf dem Dorfplatz liegt und alle 3 Sekunden fremde Menschen an der Terrasse vorbeilaufen. Du könntest den Ablauf leicht anpassen, so dass für deinen Hund immer wieder die Möglichkeit besteht, sich zu entspannen.
Natürlich sind das alles Kompromisse und vielleicht ist es ein bisschen anders, als du dir immer ausgemalt hattest. Aber mit gestresstem Hund, der völlig durchdreht, werden auch der schönste Ort und die tollsten Ausflüge nicht mehr genießbar.
vorher aufgebautes Ruhetraining nutzen
Die Ruhezone, das Entspannungssignal und alle anderen Ruheförderer, die du bereits in eurem Alltag vorher aufgebaut hast, werden sich im Urlaub so richtig als Lebensretter erweisen.
Wenn du schonmal erlebt hast, dass ein völlig übermüdeter Hund, nicht mehr von allein in der Lage ist sich hinzulegen und zu schlafen, dann weißt du wie froh man über solche Helfer sein kann.
Futteranpassung, homöopathische Unterstützung, etc.
Es gibt jede Menge Dinge, die man im Bereich Futter, und Medikamente (egal ob schulmedizinisch, oder alternativ) tun kann, um dem Hund dabei zu helfen, sein Stresslevel zu regulieren.
Natürlich geht es nicht darum, plötzlich auf der Reise das Futter umzustellen. Viel eher darum, bereits bekannte Möglichkeiten, die bereits bewiesen haben, dass sie deinem Hund Entspannung bringen, dann auch zu nutzen.
Für die ersten kleineren Reisen habe ich hier für Alma viel probiert, manches hat sich auch im Ausnahmefall „Urlaub“ bewährt und blieb in unserer „Reise-Werkzeugkiste“. Anderes war für zu Hause gut, hat im Urlaub dann aber keinen Effekt gehabt, und wurde wieder entfernt.
Heute habe ich die unterstützenden Präparate meistens noch dabei, wir benutzen sie allerdings fast nicht mehr.
Auch hier gebe ich im Rahmen des Blogartikels ganz bewusst keine konkreten Empfehlungen, da das für jeden hund individuell angepasst werden darf und in fähige Hände gehört.
Mini Reisen üben – Trainingsreisen als Proben „für den Ernstfall“
Wenn im Alltag etwas mehr Ruhe eingekehrt ist und du das Entspannungspuzzle für deinen Hund ganz gut angepasst hast, dann ist der richtige Zeitpunkt um vor der großen Reise, mehrere kleine Reisen zu unternehmen.
Erstens um auszutesten ob dein Potpourri an Maßnahmen euch hilft. Und zweitens um dem Hund (und auch dir) die Chance zu geben, zu lernen mit dieser Situation umzugehen. Von Mal zu mal wirst du besser wissen, was dein Hund braucht. Wieviel Aktion er verkraften kann, wann und wie er es gut schafft zur Ruhe zu kommen. Dazu kommt, dass es viel einfacher ist für zwei bis drei Tage, den zusätzlichen Stress zu verkraften, als für eine ganze Woche oder sogar länger.
Mit kurzen Zeiträumen geht ihr jedes Mal mit einem Erfolgserlebnis raus und du und dein Hund habt beide ein besseres Gefühl, wenn es auf die nächste Reise geht.