Impulskontrolle und ein gesundes Stresslevel deines Hundes sind für einen entspannten Spaziergang unerlässlich

Auf dem Spaziergang mit unseren Hunden sind Impulskontrolle und auch Frustration aushalten können oft DIE Showstopper für einen entspannten Freilauf.

Denn spannenden Impulsen sind unsere Hunde draußen ständig ausgesetzt. An jedem Grashalm riecht es anders. Es sind Menschen in verschiedenen Geschwindigkeiten unterwegs. Andere Hunde. Andere Tiere. Unzählige Gerüche, optische Eindrücke und Geräusche die es zu verarbeiten und im besten Fall neutral zu betrachten gilt.

Gelassen auf Reize zu reagieren, geht nur dann, wenn noch Impulskontrolle „übrig“ ist. Und das geht ist am leichtesten, wenn das Stresslevel nicht sowieso schon durch die Decke schießt. Wir werfen in diesem Blogartikel gemeinsam den Blick ins Thema Stressmanagement. Damit du einen guten Überblick bekommst und verstehst, warum alles Training an anderen Kompetenzen für den entspannten Freilauf/ Spaziergang im Sande verläuft, wenn dein Hund zu gestresst ist.

Die Impulskontrolle deines Hundes spielt auf jedem Spaziergang eine Hauptrolle.

Wann braucht dein Hund Impulskontrolle auf dem Spaziergang und was ist damit gemeint?

Jeder Reiz, der deinem Hund begegnet und der ihn interessiert oder potentiell zu einer Reaktion bewegt, braucht Impulskontrolle, wenn dein Hund seinen Impuls zur Reaktion zurückhält.

Ein Geruch, der deinem Hund in die Nase steigt und er soll weiter an lockerer Leine neben dir laufen? Das braucht Impulskontrolle.

Ballspielende Kinder auf der anderen Straßenseite? Dein Hund würde gern dem Ball hinterherlaufen? Oder die Kinder eigentlich anbellen, weil ihm das zu laut und hektisch ist? Beides nicht zu tun, braucht Impulskontrolle.

Ein anderer Hund kommt euch entgegen, dein Hund soll entweder nicht auf ihn zulaufen oder direkt auf Abwehr gehen, sondern in Ruhe mit dir dran vorbeilaufen? Auch Impulskontrolle.

Autos, Fahrradfahrer, andere Tiere, andere Menschen, die Liste lässt sich unendlich fortführen. Wann immer dein Hund zuerst denkt, bevor er handelt und einen Handlungsimpuls unterdrückt, braucht er Impulskontrolle.

Impulskontrolle ist eine endliche Größe

Das Problem dabei: Impulskontrolle steht deinem Hund nicht unendlich zur Verfügung.

Hunde Geduld rastet aus keine ImpulskontrolleStell dir die Fähigkeit deines Hundes Impulse zu unterdrücken oder auch Frust auszuhalten wie ein Holzfass vor. Oder meinetwegen eine Regentonne.

Die Größe dieser Tonne kannst du nur bedingt beeinflussen. Sie wird von vielen Faktoren (Rasse, Geschlecht, Hormonstatus, Charakter, …) vorbestimmt und ist nur über lange Zeiträume veränderbar.

Jeder Reiz, den dein Hund aufnimmt und verarbeitet, landet als Wassermenge in dieser Tonne. Ein für deinen Hund uninteressanter, alltäglicher, ungefährlicher Reiz bringt ein paar Wassertropfen in das Fass. Je wichtiger, aufregender, bedrohlicher oder außergewöhnlicher der jeweilige Reiz für deinen Hund ist, desto mehr Wasser füllt die Tonne. Ist die Tonne voll, ist keine Impulskontrolle mehr übrig. Und dann reicht am Ende schon der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, für eine Reaktion.

Welche Stellschrauben hast du, damit dein Hund auf dem Spaziergang noch Impulskontrolle übrig hat?

Damit dein Hund auf dich reagieren kann oder gar bereit ist um Neues zu lernen, braucht er freie Kapazität im Gehirn (und seinem „Wasserfass“). Doch welche Möglichkeiten hast du, das zu erreichen?

Impulskontrolle trainieren – als erster Schritt beim gestressten Hund kontraproduktiv

Wenn du nach „Impulskontrolle des Hundes verbessern“ googelst, findest du unzählige Tipps wie man Impulskontrolle trainieren kann. Vorm Futternapf warten, sitzenbleiben während der Ball fliegt, bei Ablenkung an der lockeren Leine laufen, etc.
Und nichts davon hilft dir wirklich, wenn das Stressfass deines Hundes sowieso schon voll ist. Nichts davon ist als erster Schritt sinnvoll. Denn, wenn das Fass deines Hundes sowieso schon zu gefüllt, ist jede Übung, die du mit deinem Hund machst, einfach nur ein nächster Wasserschwall, den du in das Fass füllst. Und damit genau das Gegenteil von dem, was du erreichen willst.

Und deswegen erkläre ich dir jetzt, welche Schritte ihr braucht, bevor explizites Training an Impulskontrolle überhaupt sinnvoll sein kann.

2 „Hebel“ für mehr Entspannung auf dem Spaziergang

Du hast 2 entscheidende Hebel, die auf dem Spaziergang für Entspannung deines Hundes sorgen können.

  1. Das Stresslevel deines Hundes runterschrauben und dafür sorgen, dass das Stressfass nicht dauerhaft bis zum Rand gefüllt ist, sondern dass noch Raum bleibt, um Impulskontrolle nutzen zu können.
  2. Die Reaktion auf die Reize so zu beeinflussen, dass sie weniger aufregend/anstrengend für deinen Hund sind und dadurch weniger Wasser in das Fass füllen.

Beide Themen schauen wir uns jetzt an.

Allgemeines Stresslevel reduzieren

Eines der häufigsten Probleme, die mir im Training mit meinen Kunden begegnen ist, dass die Hunde ihr bildliches Stressfass schon mit dem Alltag dauerhaft so voll gefüllt haben, dass der Spielraum für zusätzlichen Stress schon per se sehr klein ist.

Manchmal ist das Fass einfach dauerhaft voll bis oben hin und der Hund reagiert auf jeden Reiz und sei er auch noch so klein augenscheinlich völlig übertrieben. Gefühlt macht der Hund eine Mücke zum Elefanten, weil er schlichtweg dauerhaft gestresst ist.

Wenn das so ist, dann gilt es zuerst den Standardpegel im Fass runterzufahren. Also, das Stresslevel des Hundes, das schon alleine durch den Alltag entsteht zu senken. Hierbei schaut man sich dann an, wo die größten Stressfaktoren herkommen und versucht hier Entspannung reinzubringen. Manchmal ist es dann tatsächlich „nur“ der Spaziergang, der so mit Aufregung besetzt ist, dass das der Hund draußen ständig kurz vor der Explosion steht. In dem Fall gilt es über Tempo, Streckenauswahl, die richtige Beschäftigung, die Dauer des Spaziergangs usw. (Möglichkeiten dazu, findest du in diesem Blogartikel.) den Spaziergang an sich entspannter zu gestalten.

In vielen Fällen ist bei einem sehr hohen Stresslevel nicht „nur“ der Spaziergang betroffen, sondern die Anspannung zieht sich durch den gesamten Hundealltag. Die allerwichtigste Frage hierbei ist „Schläft mein Hund genug?“. Denn – um das auf den kleinsten Nenner zu reduzieren – je mehr aktive/ wache Zeit dein Hund den Tag über hat, desto mehr Reize sammelt er. Desto mehr füllt er also sein Fass. Und da die Reize nur sinnvoll im Schlaf verarbeitet und ad acta gelegt werden können, gilt gleichzeitig: Wer länger wach ist, kann weniger schlafen. Die Schere zwischen der aufkommenden Arbeit für das Gehirn (in Form von aufgenommenen Reizen) und der Zeit, die für die zu leistende Arbeit zur Verfügung steht (in Form von Ruhe/ Schlafphasen) geht dann immer weiter auseinander. In dem Fall ist dann eine der Ursachen, warum dein Hund draußen ständig überreagiert, nicht mal nur draußen zu suchen, sondern es gilt, den gesamten Alltag zu ent-stressen um mehr Platz im Fass zu schaffen.

Problemsituationen verstehen und entschärfen – mit effektivem Training

Der zweite große Hebel, den wir haben, wenn wir Spaziergänge mit unserem Hund entspannter gestalten wollen, ist Lösungen für die aktuellen Problemsituationen (Hundebegegnungen, Radfahrer, Eichhörnchen, Vögel, …) zu finden.

Wenn aktuell Hundebegegnungen ein großes Stressthema für deinen Hund sind, dann füllt jede Begegnung mit Artgenossen viel mehr Wasser in das Stressfass, als sein müsste. Wenn dein Hund etwas entspannter in Hundebegegnungen bleiben könnte, dann könnte sein „übriger Platz“ im Stressfass für 5 Begegnungen ausreichen. Wo jetzt schon bei der ersten Begegnung jegliche übrige Kapazität des Fasses verbraucht und das Wasser direkt überläuft. Hat der Hund den Dreh voll raus mit den Begegnungen, nimmt eine einzelne Begegnung kaum noch Raum im Fass ein.

Daher ist das Training und Entspannen der ganz konkreten Stressmomente natürlich auch ein Baustein für entspannter Spaziergänge. Doch es gibt eine klare Reihenfolge in der Priorität und darum geht es jetzt

Stressreduktion oder Problemsituationen trainieren – womit fange ich an?

Die zwei wichtigsten Hebel für mehr Entspannung auf dem Spaziergang kennst du jetzt. Doch eins ist mir noch wichtig. Und zwar, dass du weißt, ob du an beiden Themen gleichzeitig ansetzen kannst, oder ob das nicht sinnvoll ist.

Das lässt sich auf wenige Entscheidungskriterien zusammenfassen:

  1. Ist das Stressfass deines Hundes aktuell ständig randvoll, dann ist die oberste Priorität und der erste sinnvolle Schritt, das zu verändern. Mehr Schlaf, weniger Aktion. Mehr Entspannung für den Hund, mehr Platz im Fass. Denn, wenn gar kein Platz im Fass ist, dann kann dein Hund – egal mit welchem Training – nichts nachhaltig lernen. Jede Trainingseinheit – egal wie gut aufgebaut – bringt neues Wasser in das Stressfass. Ist diese Kapazität im Fass noch nicht vorhanden, ist euer erster Schritt euch an dieser „Front“ etwas Luft zu verschaffen.
  2. Hat dein Hund ein bisschen Platz frei und die Spaziergänge sind eigentlich relativ entspannt und werden nur durch eure Problemsituationen stressig, dann kannst du gleichzeitig an beiden Themen arbeiten. Und euch gleichzeitig durch allgemeine Entspannung in Alltag und Spaziergang mehr Puffer für Impulskontrolle verschaffen und durch Training an den Problemsituationen den dadurch aufkommenden Stress reduzieren.
    (Wenn dein Hund draußen auf sehr vielfältige Reize reagiert, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er ein grundsätzliches Stressthema eine Ursache ist wahrscheinlicher, als dass ihr einfach mit X verschiedenen Dingen ein Reaktionsproblem habt.)

 

In diesem Artikel hast du hoffentlich eine Idee davon bekommen, warum Stress immer zuerst reduziert werden muss, wenn das Level so hoch ist, dass der Hund nicht mehr lernen kann.
Ich werde in den kommenden Tagen noch Ergänzungen machen und weitere Blogartikel verlinken, damit das Bild rund wird und du weißt, was du ganz konkret tun kannst.

entspannter Spaziergang mit Hund, am Meer sitzen und genießen

Weiterführende Blogartikel zum Thema